Scheidung auf amerikanisch

MOH (44): 7. Oscars 1935 - "Scheidung auf amerikanisch"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 27. Februar 2024

Nach dem wir in unserer letzten Folge dem dramatischen Schicksal von Kleopatra beiwohnen durften, geht es heute sehr viel fröhlicher und beschwingter zu. Wir gehen ab aufs Parkett und schwingen das Tanzbein mit dem berühmten Duo Fred Astaire und Ginger Rogers.

Scheidung auf amerikanisch

Originaltitel
The Gay Divorcee
Land
Jahr
1934
Laufzeit
107 min
Genre
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
8
8/10

Kann nicht schauspielern, hat riesige Ohren, kriegt bald ne Glatze, tanzt aber – das klingt für einen Schauspieler nicht gerade nach einem vielversprechenden Urteil angesichts erster Probeaufnahmen. Doch so desaströs diese Aufnahmen in vielerlei Hinsicht auch verlaufen waren, der legendäre Filmproduzent David O. Selznick attestierte dem Hauptdarsteller unseres heutigen Filmes bei diesen immerhin noch einen beeindruckenden Charme. Damit bewies er im Nachhinein einen ziemlich guten Riecher, denn schon bald sollte dieser junge Herr Filmgeschichte schreiben und zu der wohl prägendsten Figur des amerikanischen Musical- und Tanzfilms werden. Vorhang auf für Fred Astaire, der gemeinsam mit Ginger Rogers eines der berühmtesten Leinwandpaare Hollywoods bildete und deren Siegeszug mit “Scheidung auf amerikanisch“ so richtig Fahrt aufnahm.

Basierend auf dem Broadway-Musical “Gay Divorce“, in dem Astaire ebenfalls die Hauptrolle innehatte, verliebt sich zu Beginn des Filmes der Tänzer Guy Holden (Fred Astaire) auf der Fahrt von Paris nach London in Mimi (Ginger Rogers). Die findet Guy aber so gar nicht anziehend und lässt dessen zahlreichen Avancen erstmal nonchalant an sich abprallen. Schließlich hat sie selbst gerade andere Sorgen, möchte sie sich doch von ihrem Ehemann scheiden lassen. Dazu engagiert Mimi einen Freund ihrer Tante Hortense (Alice Brady), den Rechtsanwalt Egbert Fitzgerald (Edward Everett Horton), der sich ganz zufällig natürlich als Guys bester Freund entpuppt. Egberts Vorschlag: Mimi lässt sich einfach in flagranti in einem Luxushotel mit einem anderen Mann erwischen und schon kommt die Scheidung von ganz alleine. Dafür plant Egbert eigentlich den “professionellen Fremdgeher“ Rodolfo (Erik Rhodes) ein, doch natürlich laufen die Dinge bald ganz anders und vor allem völlig aus dem Ruder.


So charmant Fred Astaire bei den Probeaufnahmen 1933 auch wirkte, ein wenig war Produzent Selznick damals schon überfragt, was man denn nun mit diesem Menschen genau anfangen sollte. Sein Aussehen, das mehr an Stan Laurel als Clark Gable erinnerte, sowie die scheinbar eher begrenzten Schauspielfähigkeiten prädestinierten Astaire nicht wirklich für eine große Hauptrolle. Und so griff Selznick erstmal auf eine oft genutzte Praxis aus der damaligen Zeit zurück und verlieh Astaire von RKO Pictures an MGM. Dort war man gerade auf der Suche nach einem guten Tänzer für den Film “Dancing Lady“, der an der Seite der großen Stars Clark Gable und Joan Crawford brav im zweiten Glied agieren sollte. Diese Nebenrolle absolvierte Astaire aber mit Bravour und gerade Kollegin Crawford zeigte sich anschließend so begeistertet von dessen Tanzfähigkeiten, dass sie bei RKO für ihn ein gutes Wort einlegte. Warum ich hier gerade etwas abschweife? Vermutlich nur um jetzt diesen wundervollen Videoclip einbetten zu können, der Crawford und Astaire (nach  Outfit-Wechsel zur Hälfte der Nummer) mit Dirndl und Lederhose in “Dancing Lady“ das Stück “Let's go Bavarian“ aufführen lässt (unbedingt bis zum Schluss schauen, dann gibt’s auch noch Clark Gable obendrauf).

Vorschlag für Oktoberfestzeltbesitzer – einfach in Dauerschleife auf dem Beamer laufen lassen.

Zurück bei RKO wartete nach all dem Lob als nächstes eine etwas größere Nebenrolle auf Astaire. In “Flying Down to Rio“ durfte Astaire zum ersten Mal mit Ginger Rogers das Tanzbein schwingen und deren gemeinsame Tanznummer Carioca stahl dann auch gleich der eigentlichen Hauptdarstellerin Dolores del Rio die Schau. Die nun folgenden Hauptrollen der beiden in “Scheidung auf amerikanisch“ erscheinen so zwar nur folgerichtig, doch es zeigt sich, dass die Produzenten sich ihrer Sache offensichtlich immer noch nicht ganz sicher waren. Es gibt im Film nämlich schon relativ viele Nebenfiguren, die teils mit sehr erfahrenen Schauspielern besetzt sind und die auch ordentlich was zu tun bekommen. Und das wirkt dann schon wie ein kleines Sicherheitsnetz, falls unsere beiden Hauptfiguren dann doch nicht in den richtigen Groove kommen sollten.

Diese Befürchtung entpuppt sich zwar als unnötig, trotzdem tut diese Entscheidung dem Film gut. Ob Egberts kleines Privatduell mit einem Kellner oder die steigende Verzweiflung des stets auf Anstand bedachten Rodolfos, die zahlreichen kleinen Nebenschauplätze sorgen im Film für ein paar ordentliche Lacher. Sie passen aber auch ganz gut zu einer Handlung, die vor allem aus einem Potpourri klassischer Sitcom-Elemente besteht, welches seine zentralen Konflikte und Gags hauptsächlich aus Verwechslungen und Missverständnissen kreiert. Da kann man dann auch ohne Probleme hier und da mal etwas abschweifen. Das mag nicht die ganz große Kunst sein, ist über weite Strecken aber einfach sehr entspannt und mit einem sympathischen Spritzer Selbstironie umgesetzt. Und mit Astaire und Rogers hat man dann ja noch zwei wirkliche Asse im Ärmel.


Gerade in der ersten halben Stunde ist es eine pure Freude Astaire und Rogers zuzuschauen. Auf der einen Seite Astaire, der einfach jede Menge Charme und ein ziemlich gutes Timing in Sachen Humor mitbringt. Bei ihm wirkt alles so entspannt und leichtfüßig, dass man gar nicht anders kann als sich schnellstmöglich mit dieser Figur anzufreunden – auch wenn sie schon relativ penetrant versucht Mimi den Hof zu machen. Aber weil auf der Gegenseite Ginger Rogers so unglaublich souverän-sarkastisch dagegenhält kommt hier gar nicht das Gefühl einer Aggressor-Opfer-Beziehung auf. Stattdessen macht dieses kleine Privatduell der zwei richtig Laune, da selbst offensichtlich heranrauschende Gags von den beiden mit einer angenehm lockeren Süffisanz nochmal deutlich aufgewertet werden. Die Kombination aus nerdig-grübelndem Mann auf der einen und einfachem frei Schnauze Mädchen auf der anderen Seite ergänzt sich hier auf jeden Fall richtig gut.   

Genauso leichtfüßig wie ihre Zusammenspiel kommen auch die gemeinsamen Tanznummern daher, bei denen natürlich vor allem Astaire zu Höchstform aufläuft. Im Gegensatz zu den extravaganten Choreographien des damals besonders angesagten Busby Berkely liegt der Fokus dabei mehr auf der Tanzkunst an sich. Astaire legte in seiner Karriere immer Wert darauf, dass nicht die Kamera sondern vor allem er sich bei seinen Tanzdarbietungen bewegte. Und das ist eine weise Entscheidung, denn so kann man ohne jegliche Ablenkung und meist auch ohne irgendwelche Schnitte gerade dessen beeindruckenden Stepptanz-Fertigkeiten so richtig genießen.


Während bei Astaire jeder Schritt perfekt sitzt leistet der Film sich allerdings zumindest ein paar kleinere Fehltritte. So versucht man gegen Ende mit “The Continental“ deutlich zu bemüht eine epische Tanzsequenz zu generieren, die vor allem darunter leidet, dass in der fast 20-minütigen Sequenz Astaire und Rogers nur zum Teil involviert sind. Die Sequenz ist zwar nett gemacht und sieht toll aus, bremst den Film aber zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt dramaturgisch doch deutlich aus (belohnt wurde der Aufwand aber trotzdem, erhielt das Stück doch den allerersten Oscar in der neu eingeführten Kategorie “Bester Song“.) Auch an anderer Stelle hätte man den Film durchaus etwas trimmen können, wie etwa bei einem etwas ermüdenden Running-Gag rund um das schlechte Gedächtnis von Tante Hortense.

Insgesamt funktioniert der Humor aber sonst konstant gut über die ganze Länge des Filmes und wird dank unserem genauso engagierten wie überzeugenden Leinwandpaar eben nochmal um eine Qualitätsstufe nach oben gehoben. Tolle Sets und spritzige Tanznummern runden das Geschehen ab und machten “Scheidung auf amerikanisch“ zum perfekten Eskapismus in Zeiten der Großen Depression. Das Publikum war begeistert und das Traumpaar Astaire und Rogers dankte es ihm mit acht weiteren gemeinsamen Filmen. Genau 90 Jahre später lässt man sich von der guten Laune immer noch gerne anstecken und so ein bisschen Vorfreude ist bei mir jetzt schon dabei angesichts der Tatsache, dass wir die beiden schon bald in unserer Reihe noch einmal treffen werden.

"Scheidung auf amerikanisch" ist aktuell als Blu-Ray-Import auf Amazon in Deutschland verfügbar.

Trailer zum Film


Ausblick
In unserer nächsten Folge treffen wir in “Here Comes the Navy“ auf einen besonders harten Jungen und eine weiteren Beitrag aus dem kurzlebigen 1934er Subgenre des romantischen Militärfilms.

 


Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.