Spotlight

Originaltitel
Spotlight
Land
Jahr
2015
Laufzeit
128 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Frank-Michael Helmke / 3. Dezember 2015

Dem Journalismus geht es momentan nicht sehr gut. Mit der stetigen Verlagerung der Mediennutzung in Richtung Online kämpft er auf seinem traditionellen Terrain, den Printmedien, seit Jahren ums Überleben, mit ungewissem Ausgang. Dazu hat er auch noch ein wachsendes Glaubwürdigkeitsproblem, sieht er sich doch auch noch immer mehr unter dem Stichwort "Lügenpresse" mit Vorwürfen bewusster Manipulation und Wahrheitsverdrehung konfrontiert, vornehmlich von Leuten, die selbst ganz groß in Sachen Manipulation und Wahrheitsverdrehung sind und leider überhaupt kein Verständnis dafür haben, was seriösen Journalismus wirklich ausmacht. SpotlightGerade in so einer Situation ist es schön wenn ein Film daher kommt, der die großen Tugenden des Journalismus zelebriert und daran erinnert, was für eine imminent wichtige Institution ernsthafte und der journalistischen Ethik verschriebene Medien in unserer Gesellschaft darstellen.

Anfang des Jahres 2001 tritt ein neuer Chefredakteur seinen Dienst bei der traditionsreichen Tageszeitung Boston Globe an, zu der auch ein vierköpfiges Team unter Führung von Walter "Robby" Robinson (Michael Keaton) gehört, das auf große Investigativ-Reportagen mit langfristigen Recherchen spezialisiert ist - das "Spotlight"-Team. Als ein Bericht über einen Fall von Kindesmissbrauch durch einen örtlichen Priester die Runde macht, ermutigt der neue Chef Marty Baron (Liev Schreiber) Robinson und sein Team, dieses Thema zu ihrem nächsten Projekt zu machen und zu recherchieren, wie weit die angeblich nur sehr vereinzelten Missbrauchsfälle innerhalb der Kirche wirklich reichen. Baron stammt von außerhalb und versteht daher nicht, warum seine Mitarbeiter zunächst zögern. Denn Boston ist die größte Hochburg des Katholizismus in den USA, die Kirche eine sehr machtvolle Institution und weite Teile der Bevölkerung (und damit auch der Globe-Leserschaft) nicht begeistert, wenn jemand versucht, diese in den Dreck zu ziehen. Nach anfänglichem Zögern verbeißen sich Robby und sein Team (Mark Ruffalo, Rachel McAdams und Brian d'Arcy James) jedoch immer mehr in ihre Recherchen und fördern nach und nach Ungeheuerliches zu Tage. 

SpotlightAm Ende dieser Geschichte stand die Aufdeckung eines der größten Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche, und eines der ersten Male, dass nicht nur ein Haufen angeblicher "Einzelfälle" nachgewiesen werden konnte, sondern die jahrzehntelange, systematische Vertuschung sexueller Missbrauchsfälle durch die Führung der Kirche. Der Fall trat eine Lawine ähnlicher Nachforschungen und Enthüllungen um den ganzen Globus los, und er gilt darum zurecht als große journalistische Heldentat.

Was Regisseur und Autor Tom McCarthy allerdings nicht dazu verleitete, seinen Film nun zu einem pathetisch überladenen Epos über die Helden der schreibenden Zunft zu machen, die gegen alle Widerstände und Repressionen der Macht das Unrecht ans Licht zerrten. Natürlich ist es genau das, was sie getan haben, aber der Film zeichnet eben auch kein simplifiziertes Bild, sondern verdeutlicht, wieviele Stellen in wievielen verschiedenen Institutionen über Jahrzehnte wegsehen müssen, um solch einen Skandal überhaupt soweit gedeihen zu lassen, gerade wenn es auf lokaler Ebene darum geht, keinen Schmutz auf angesehene Mitglieder der Gesellschaft kommen zu lassen. Doch "Spotlight" zeigt vor allem eines: Journalisten bei der Arbeit. Und tut dies genauso nüchtern, konzentriert und mit stiller Leidenschaft für die Sache, wie es gute Journalisten bei der Arbeit sind.

SpotlightDas größte Spektakel dieses Films besteht denn auch in seiner konsequenten Weigerung, ein Spektakel zu veranstalten. Er verzichtet auf plakative Emotionalisierung und hält sich komplett frei von konventionellen Subplots - es gibt hier keine kleine Liebesgeschichte am Rande, nicht einmal Einblicke ins Privatleben der Protagonisten. Sie existieren hier quasi ausschließlich in ihrer beruflichen Rolle, als Rechercheure auf der Suche nach der Wahrheit, und "Spotlight" zeigt in fast schon dokumentarischer Weise die Vorgehensweisen, Rückschläge und Abweisungen, die die Arbeit an solch einer großen Investigativ-Reportage mit sich bringt. Das alltägliche Klein-Klein einer Nachrichtenredaktion, die zahllosen Telefonate und vergeblichen Hausbesuche bei potenziellen Quellen, die nicht reden wollen. Und wie sich langsam, über Wochen und Monate beharrlicher Arbeit, aus vielen zusammengetragenen Fakten ein großes Puzzle der Wahrheit zusammensetzt. Eine punktgenau komponierte Hymne auf die mühsame Arbeit echter Recherche.

Es hat seit "Die Unbestechlichen" ("All the President's Men", 1976), jenem legendären Porträt der Aufdeckung des Watergate-Skandals, keinen Film mehr gegeben, der so gewissenhaft und authentisch die Arbeit einer hochprofessionellen Nachrichtenredaktion dargestellt hat, und "Spotlight" muss sich vor diesem historischen Vorbild in keiner Sekunde verstecken. Sein Ton und sein Anspruch sind ganz ähnlich, und seine Qualität ist es auch. Das ist auch dem durchweg großartigen Ensemble zu verdanken, dass hier ganz im Dienst der Geschichte agiert und somit eben keine Sekunde irgendeine Show abzieht. Niemand wird hier als exaltierter Charakter inszeniert, nur um etwas oberflächlichen Schwung in die Bude zu bringen, sie erscheinen allesamt geradezu bieder in ihren schmucklosen Klamotten und mit ihrer unaufgeregten Pflichterfüllung. Der einzige, der hier auch mal aus sich heraus gehen darf, ist Mark Ruffalo als das leidenschaftlichteste und aufbrausendste Mitglied im Spotlight-Team. SpotlightAnsonsten glänzen die Schauspieler vor allem durch ihr Porträt von Ruhe und Bedachtheit, zwei der größten und wichtigsten Tugenden für gute Journalisten. Der im wahrsten Sinne des Wortes stille Star ist hierbei Liev Schreiber, dessen Darstellung des Chefredakteurs Marty Baron ein grandioses Kabinettstück an schauspielerischer Zurückhaltung ist. Wie Schreiber seine Figur durch den ganzen Film hindurch in einer Stimmungs- und Stimmlage festzufrieren scheint, ist in all seiner schlichten Eleganz ganz großes Kino.

Großes Kino ist auch dieser ganze Film, auch oder gerade weil er überhaupt nicht danach aussieht. Oberflächlich betrachtet mag manch einer "Spotlight" vielleicht als unspannend abstempeln, doch wer genau hinsieht, wird hier nicht eine verschwendete Szene finden können, nicht einen Moment, in dem die Geschichte ihren konsequenten Zug nach vorne oder die Handlung ihren glasklaren Fokus aus dem Auge zu verlieren droht. Hier sitzt alles, macht jeder Beteiligte seinen Job großartig, ist jedes Detail aufeinander abgestimmt und greift jedes Zahnrad perfekt in das andere, damit am Ende die ganze Maschinerie zusammen ein einheitliches, grandioses Ganzes erzeugt. So, wie eine gut geölte Nachrichtenredaktion. 

"Spotlight" zeigt, wie anstrengend und zeitintensiv echter Journalismus ist, und eben auch wie unendlich wertvoll. Man kommt bei Betrachtung dieses Films kaum umhin, unwillkürlich Angst zu bekommen vor einer Zeit, in der es keine Medien mehr gibt, die sich investigative Recherchen dieser Dauer und Größenordnung noch leisten können oder leisten wollen. Wenn der Journalismus aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein wird, die Kontrollfunktion gegenüber den gesellschaftlichen Mächten auszuüben, die ihn für eine demokratische Gesellschaft unersetzlich macht. Es wird eine finstere Zeit für die Wahrheit werden. Doch bis dahin kann dieser Film erst einmal erstrahlen als großartiges, wahrhaftiges Denkmal an den Wert des echten Journalismus. 

Bilder: Copyright

7
7/10

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, oder?

So hehr Anspruch und Zielsetzung des Filmes auch sein moegen;
so gross die Notwendigkeit ist, auf skandaloese Zustaende in unserer Gesellschaft hinzuweisen;
so sehr die 4. Gewalt es auch verdient, oeffentlich Wertschaetzung zu erfahren;
so angenehm es ist, intelligente, ambitionierte Filme im Kino sehen zu koennen,

so formelhaft und ... nun ja, unergiebig kommt dieser Film daher. Das liegt nicht daran, dass es diese Geschichte nicht wert waere erzaehlt zu werden. Ganz im Gegenteil.
Es scheitert auch nicht daran, dass sie sich als Beispiel eignet fuer die Notwendigkeit, investigativen, langfristig ausgerichteten Journalismus zu betreiben.

Doch aehnlich wie zum Beispiel fuer das Genre "Biopic" gibt es eben auch fuer den nennen wir es mal "Realwelt David-gegen-Goliath" - Film eine Formelhaftigkeit, die letztlich den Genuss des Produktes mindert.

Wie bereits erwaehnt macht dies die Geschichte nicht weniger erzaehlens-, doch den Film weniger sehenswert. Leider.

Permalink

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.