Tokyo Godfathers

Originaltitel
Tokyo Godfathers
Land
Jahr
2003
Laufzeit
90 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Margarete Prowe / 28. Dezember 2010

Während das westliche Publikum Zeichentrickfilme zumeist immer noch als Kinderkrams abtut, richteten sich die japanischen Animes schon immer besonders an das erwachsene Publikum. Dies trifft auch auf die Filme des Regisseurs Satoshi Kon ("Perfect Blue", "Millenium Actress") zu, die sich mit der realen Welt auseinandersetzen und damit wenig verwunderlich weit abseits der Waldgeister-Welt von Hayao Miyazaki ("Prinzessin Mononoke", "Das wandelnde Schloss") liegen. Von Satoshi Kon hätte bislang niemand einen Weihnachtsfilm erwartet, und nun überrascht er mit "Tokyo Godfathers". Dies wäre jedoch kein Kon-Film, wenn er nicht weit mehr als nur eine hübsche Festtagsgeschichte wäre. Und so sehen wir mit "Tokyo Godfathers" eine rasante Komödie mit dramatischen Elementen, die von Obdachlosigkeit über Kindesentführung und Vergangenheitsbewältigung bis hin zu wilden Verfolgungsjagden alles enthält, was man von einem Weihnachtsfilm nicht unbedingt erwartet hätte.

Es ist Weihnachten in Tokio. Nicht die drei Weisen aus dem Morgenland, sondern drei Obdachlose - ein Säufer, Gin, ein Transvestit, Hana, und eine jugendliche Ausreißerin, Miyuki - finden in einem Müllhaufen ein ausgesetztes Baby. Hana wünscht sich schon lange, einmal Mutter sein zu dürfen (was natürlich etwas schwierig umzusetzen ist). Trotzdem entscheiden die drei, das Kind der wahren Mutter zurück zu geben, da sie es vor einem Leben auf der Straße beschützen wollen. Es beginnt eine Suche durch die Stadtlandschaft, in der sie nicht nur auf Gangster, Krankenwagen und brutale Jugendliche treffen, sondern auch mehr über die eigene Vergangenheit preisgeben und lernen, sich dieser zu stellen.

Der Film ist ein Quasi-Remake von John Fords Western "Spuren im Sand" ("Three Godfathers") von 1948, in dem drei Bankräuber in der Wüste ein Baby finden und in die Zivilisation zurück bringen. War es damals schon schräg, aus dieser Geschichte einen Western zu machen, erscheint es noch schräger, diese Idee mit Obdachlosen in Tokio umzusetzen. Doch genau hier liegt auch der Reiz dieser Geschichte: Obdachlosigkeit ist ein Thema, welches in Japan - wie auch im Westen - gern unter den Tisch gekehrt wird. Kaum jemanden scheint zu interessieren, wie es da unten in der Gosse tatsächlich zugeht. Es ist Kon zu verdanken, dass Obdachlose hier sogar zu Identifikationsfiguren werden, obwohl dieser Film keine Anprangerung sozialer Ungerechtigkeit an sich ist.
Es wird gezeigt, wie normale Menschen auf die Straße geraten können, wie sie von halbstarken Schuljungen zusammen geschlagen werden, weil man es mit ihnen ja folgenlos machen kann, und wie sie sich gegenseitig helfen, aber auch gegenseitig behindern und mit Alkoholismus und mit Ablehnung (auch aufgrund ihres Gestanks) zu kämpfen haben. Sind die Protagonisten anfänglich Klischeefiguren, so wird ihnen im Verlauf des Filmes immer mehr Tiefe verliehen, wodurch sie dem Zuschauer über ihre Fehler und Macken immer näher kommen.

Ebenso außergewöhnlich wie die Hauptdarsteller ist die urbane Landschaft, in der sich die Geschichte ereignet. Kon zeigt nicht das schicke Tokio, wie man es aus "Lost in Translation" oder anderen Filmen kennt, sondern betont die schmutzige Grundfläche der Stadt. Die Mülleimer und Luftschächte, die verlassenen Häuser und Hinterhöfe sind es, die er zeigt. Der Kontrast zwischen der eher kalten Farbpalette der Metropole, dem weißen Schnee und den warm gehaltenen Momenten der Zwischenmenschlichkeit zeichnen ein zweigeteiltes Bild, welches die Geschichte und die Figuren stützt.
Um möglichst realistisch wirkende Hintergründe zu kreieren, wurden Digitalfotos aller im Film verwendeten Objekte in der Stadt geknipst, die dann originalgetreu nachgezeichnet wurden. Dieses mag visuell erst einmal gewöhnungsbedürftig sein, ist aber eine interessante Weise der Bildkomposition für einen Animationsfilm.

Interessant ist auch die Musik, die sich auf westliches Kulturgut stützt und so die Mode-Orientierung Tokios zum Westen hin sanft karikiert. Vom Musical "The Sound of Music" bis zum deutschen Klassik-Superkracher, Beethovens "Ode an die Freude", reicht hier das Spektrum. Auch "Stille Nacht, heilige Nacht" fehlt natürlich nicht.

Zu bemängeln ist, dass Kon kontinuierlich Zufälle verwendet, um die Handlung weiterzubringen. Man mag dies auf die wundersame Weihnachtszeit schieben, doch ist es manchmal arg viel, was hier aus dem Hut gezaubert wird. Kon nutzt Zufälle sowohl um komische Elemente einzubringen als auch um die Geschichte in die richtigen Bahnen lenken zu können. Zugegebenermaßen gelingt es Kon auf diese Weise aber auch effektiv, die Geschichte mit all ihren Subplots und Verflechtungen in einer handhabbaren Laufzeit für einen Animationsfilm erzählen zu können.

Im Gegensatz zu "Perfect Blue" und "Millenium Actress" ist "Tokyo Godfathers" erzählerisch konventioneller umgesetzt und alles in allem etwas optimistischer, doch zeigt sich auch hier die Kunstfertigkeit des Regie-Stars Satoshi Kon. Es bleibt zu hoffen, dass der Kinostart nun auch im Westen mehr Erwachsene in Animes lockt, da sie ansonsten eine Art des Kinos verpassen, die ihre eigenen Reize hat. Wem "Tokyo Godfathers" gefällt, kann sich gleich die DVD mit vielen Extras kaufen, denn im Gegensatz zu anderen Kinofilmen gab es diesen in Deutschland schon als DVD zu kaufen, bevor er im Kino anlief. Auch dies kann man als wundersamen Zufall betrachten…


10
10/10

Ein genialer Film, den man sich öfters ansehen kann, ohne dass es einem langweilig wird. Alle 08/15 Leute werden natürlich sagen: Iiiiiih ein Anime!" , doch Tokio Godfathers ist wohl eines der besten Weihnachtsfilme, die es gibt. DIe Hauptcharaktere schließt man sofort ins Herz und und der sogenannte Zufallselment, den Satoshi Kon benutzt hat, passt zum zu einem Weihnachtsfilm wie die Faust aufs Auge.

Der Film spricht ernste Themen an, aber es wird nie zu sentimental.
Man merkt auch, dass dieser Anime von hoher (bildlicher) Qualität ist (schaut euch mal irgendein Anime aus der gleichen Jahreszeit an und vergleicht sie mit diesem Film).

Insgesamt eigentlich DAS Weihnachtsgeschenk für jeden, der kein 08/15 Idiot ist.

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