Eine Serie wie keine Andere: "Lost"

von René Loch / 29. August 2011

Es scheint mittlerweile fast so, als ließe sich die Qualität einer Serie an ihren Einschalt-Quoten in Deutschland ablesen. Gute, innovative Serien mit frischen Ideen, fast ausnahmslos aus den Vereinigten Staaten kommend, stehen regelmäßig vor der Absetzung. Im besten Fall. Beispiel "The Shield": Soeben von Kabel 1 aus dem Programm genommen. Beispiel "24": Nach fünf Staffeln ist Schluss auf RTL 2, die Zukunft der Serie, hier in Deutschland, ist ungewiss. Beispiel "Alias": Drei Jahre waren ins Land gezogen, bevor sich der Sender mit der 7 dazu bequemte, die Serie fortzusetzen. Immerhin wird der Rest nun scheinbar am Stück gezeigt - nach Mitternacht. Beispiel "Nip/Tuck": Im ersten Versuch mitten in der zweiten Staffel abgesetzt, im zweiten Versuch erneut mitten in der zweiten Staffel abgesetzt - wie viele Versuche Pro7 wohl noch starten wird? Beispiel "Prison Break": Hier steht eine Absetzung auf RTL zwar vorerst nicht zu befürchten, doch symptomatisch ist es schon, wenn ausgerechnet die einzige hochwertige Serie mit komplexem Handlungs-Konstrukt im Programm zu den Sorgenkindern des Kölner Senders gehört.

Lost

Was all diese Serien eint, ist die Erzählweise. Folgen-, ja sogar Staffelübergreifend werden hier Geschichten erzählt. Gute, einfallsreiche Geschichten. Nach Auffassung vieler Fans bringt das einer Serie doch erst die richtige Würze. Deutsche Zuschauer sehen das leider mehrheitlich anders. Ob es nun generell die Furcht vor US-Import ist, der mit GZSZ-Mustern bricht, oder schlicht Faulheit, sich nicht ständig wieder in die Handlung hineinkämpfen zu wollen, wenn mal eine oder mehrere Folgen verpasst wurden - es ist egal. Qualität setzt sich hierzulande nur selten durch und das ist extrem schade.

So verwundert es nicht, dass sich deutsche Serien-Liebhaber allmählich auch um das - nach Ansicht vieler - beste TV-Produkt der letzten Jahre, vielleicht Jahrzehnte, sorgen müssen: "Lost". War die Pilotfolge im April 2005 auch hierzulande noch ein großer Erfolg, hatte die Serie in der zweiten Staffel bereits mit mehrfachen Sendeplatz-Wechseln zu kämpfen, was in der Regel nicht auf hohe Zufriedenheit beim Sender schließen lässt.
Im speziellen Falle von "Lost" kommen neben dem angesprochenen "Deutschland-Problem" noch zwei weitere hinzu: Pro7 gibt sich wirklich alle Mühe, ihr anfängliches Premium-Produkt zu verhunzen - mit Werbe-Trailern der miserabelsten Art. Und das andere Problem heißt simpel "Verschollen".

Lost

Manch einer mag sich vielleicht (leider) noch daran erinnern. Inhalt: Ein Flugzeug stürzt auf einer unbewohnten Südsee-Insel ab, 20 Menschen überleben. Der Rest war Seifenoper, im Studio produziert mit künstlichen Stränden, künstlichen Bäumen und künstlichen Schauspielern. Nur die Hartgesottenen hielten das fünf Minuten am Stück durch. Nach 28 Episoden hatte RTL glücklicherweise ein Einsehen und beendete das Trauerspiel. Doch damit war klar: Das US-Pendant "Lost" war bereits gebrandmarkt und mit Vorurteilen behaftet, bevor es in Deutschland überhaupt an den Start ging. Und dabei haben diese Beiden, abgesehen vom Flugzeug-Crash, doch wirklich nichts, aber auch gar nichts miteinander gemein.

Ein wesentlicher Unterschied ist bereits der, dass "Lost" kostenaufwendig an Originalschauplätzen auf Hawaii gedreht wird. Abends aus dem Büro zu kommen, um Büro-Luft in "24" zu schnuppern, muss das sein? Weite Strände, riesige Hügellandschaften und der Blick hinaus aufs Meer hingegen machen zwar allein noch keine gute Serie, aber es lässt sie schon mal verdammt gut aussehen. Und während "Verschollen" von der versuchten Vergewaltigung von Gabi durch Heinz (Namen frei erfunden) erzählte, haben sich die kreativen Köpfe hinter "Lost" eine hochkomplexe, spannende, wendungs-, überraschungs- und abwechslungsreiche Mystery/SciFi/Abenteuer-Geschichte ausgedacht, die in diesen Ausmaßen im Bereich Fernsehen allein auf weiter Flur steht. "Akte X"? "Twin Peaks"? Sind in diesem Punkt Peanuts dagegen.

Lost

In "Lost" sind es zunächst 48 Menschen, die einen Flugzeugabsturz auf eine scheinbar einsame Insel im Südpazifik überleben. Der Illusion der Einsamkeit werden sie jedoch gleich am ersten Abend beraubt, als ein gewaltiges fremdes Etwas Bäume umknickt und dabei merkwürdige Geräusche verursacht. Was zunächst schlicht das "Monster" ist, trägt heute in der Fan-Gemeinde den Namen "Smokey". Denn wie sich in der zweiten Staffel herausstellt, ist es weder ein Dinosaurier, noch ein Monster im klassischen Sinne, noch eine wildgewordene Giraffe, sondern - schwarzer Rauch. Schwarzer Rauch, der den Piloten von Oceanic Flug 815 tötet, und in dessen "Innerem" Bilder aus der Vergangenheit der Überlebenden aufblitzen. Plausible Erklärung gefällig? Sorry, gibt's nicht.
Womit wir bei der wichtigsten aller Regeln für Lost-Zuschauer angelangt wären: Vertrauen. Wer kein Vertrauen besitzt, dass Mysterien wie dieses irgendwann einmal, vielleicht auch erst am Ende der Serie, vernünftig erklärt werden, sollte besser ganz die Finger von der Serie lassen. Fragen gibt es hier sehr viele, Antworten hingegen nur wenige und wenn, dann lassen sie meist lange auf sich warten. Vertrauen und Geduld - ohne geht's nicht.
Nach der Bekanntschaft mit Smokey (den der Zuschauer selbstverständlich erst nach mehr als einem Jahr überhaupt zu Gesicht bekam) machen die Überlebenden von Oceanic 815 bald die Erfahrung, dass die Insel bewohnter ist als zunächst angenommen. Da ist vor 16 Jahren beispielsweise eine Französin mit ihrem Forscherteam hier gelandet; heute lebt sie allein. Ihre komplette Mannschaft hat sie umgebracht, nachdem diese - zumindest nach ihrer Auffassung - "krank" geworden war. Auf die Hinrichtung der neulich Gestrandeten verzichtet sie freundlicherweise. Doch da gibt es noch andere, und die heißen auch genau so: die "Anderen". Die entführen Schwangere und Kinder und sabotieren einen Fluchtversuch der "Losties" mit einem selbstgebauten Floß. Wenig bis nichts ist bislang über diese Bewohner der Insel bekannt.

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Mit Beginn der zweiten Staffel erhält dann ein weiteres großes Mysterium Einzug in die Serie: Die Dharma Initiative. Was zum Teufel ist Dharma? Dharma könnte die Antwort auf vieles sein, vielleicht aber auch auf nichts. Bekannt ist, dass die Dharma Initiative vor einiger Zeit diverse Experimente auf der Insel betrieben hat, die im Zusammenhang stehen mit Zoologie, Psychologie, sozialen Verhaltensweisen, und so weiter. Zu diesem Zweck wurden unterirdische Räume geschaffen. In jenem Bunker, der die gesamte zweite Staffel über als Schauplatz dient, finden die Gestrandeten beispielsweise einen Computer, in den alle 108 Minuten eine bestimmte Zahlenfolge eingetippt werden muss, sonst…. Ja sonst was eigentlich? Auch das bleibt bis zum Ende der Staffel erst einmal lange Zeit offen. Psychologisches Experiment oder Weltuntergang? Die Antwort, die die Macher den Fans in den letzten Minuten von Staffel 2 geben, tendiert Richtung Letzteres. Ein gewaltiges Magnetfeld zieht alles in seiner Umgebung an (und war wohl auch verantwortlich für den Flugzeug-Absturz) und am Ende erstrahlt ein weißes Licht über die gesamte Insel und ein ohrenbetäubender Lärm breitet sich aus. Was das wiederum zu bedeuten hat, bleibt ein Thema für Staffel 3. Oder spätere.
"Lost" beschränkt sich glücklicherweise nicht nur auf die Mysterien und Gefahren, denen sich die Überlebenden stellen müssen. Es handelt auch von ganz grundsätzlichen Dingen. Wie kann sich eine zusammengewürfelte Gemeinschaft in solch einer Ausnahmesituation organisieren? Wie kann sie die Hoffnung auf Rettung aufrecht erhalten? Wie lassen sich hier, wo das Gesetz des Stärkeren gilt, Recht und Ordnung wahren? Die größte Gefahr für das Gemeinwohl ist manchmal gar nicht das Unbekannte, das da auf dieser Insel lauert, sondern geht von der Gemeinschaft selbst aus und hat etwas von "Herr der Fliegen".
Doch andererseits: Das Besondere ist eben doch das Unbekannte.
Was haben Eisbären im Südpazifik-Raum zu suchen? Warum kann diese Insel von niemandem (bewusst) gefunden werden? Was sind das für Flüster-Stimmen im Dschungel? Was hat ein riesiges, mit Dynamit beladenes Sklaven-Schiff aus dem Mittelalter mitten auf der Insel zu suchen? Was hat es mit den wortwörtlich verfluchten Zahlen auf sich? 4. 8. 15. 16. 23. 42. Schier allgegenwärtig sind sie. Welche sechs Zahlen das sind, die aller 108 Minuten in den Computer eingegeben werden müssen - schon klar. Und wie ist es eigentlich möglich, dass 48 Menschen einen so verheerenden Flugzeug-Absturz nahezu unverletzt überstehen?

Mit "Lost" verhält es sich ein bisschen wie mit der Hydra aus der griechischen Mythologie. Der wachsen beim Abschlagen eines Kopfes zwei neue nach. Bei "Lost" folgen auf eine Antwort (mindestens) zwei neue Fragen. Und genau das ist auch der Punkt, der mittlerweile Fans und Kritiker spaltet, sie mitunter sogar vergrault. In Staffel 1 existierte quasi nichts anderes als Lob - von allen Seiten. Als dann jedoch das erste Staffelfinale weit weniger Fragen beantworte als von vielen erhofft, wendeten sich die Ersten von der Serie ab. In Staffel 3 hinterfragte nun erstmals auch eine Vielzahl von amerikanischen TV-Kritikern das Konzept von "Lost". Die Vorwürfe: Die Macher haben den Überblick verloren; keinen Plan, wo genau sie eigentlich mit ihrer Story hinwollen. Und: Sie besitzen vor allem selber keine Antworten auf die vielen Fragen. Ob an diesen Anschuldigungen nun etwas dran ist, weiß keiner, außer der kleine Kreis an kreativen Köpfen selbst. Und die beteuern regelmäßig, dass das Grundgerüst von der ersten Minute an steht. Man wisse sogar bereits, wie die allerletzte Szene aussehen werde. Und man würde lachen, wenn man dies jetzt erzählt bekäme.
Ja, das ist "Lost": Wer hätte zu Beginn der Serie gedacht, was auf dieser Insel alles los ist. Wer hätte gedacht, dass sich unter der Oberfläche Wohnungen, Überwachungs-Monitore und Krankenstationen befinden. Mit jeder Episode erweitert sich der Blickwinkel um ein weiteres Stück. Auf die Insel, die Geschehnisse. Und die mittlerweile liebgewordenen Charaktere. Denn auch diese tragen selbstverständlich Geheimnisse in sich. Wie wurde es im Pro7-Trailer doch einst so herrlich überzogen angekündigt - jeder von ihnen hat eine dunkle Vergangenheit.

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Der Held heißt Jack, aber nicht Bauer, sondern Shepard, und sollte ursprünglich nach 45 Minuten in der Pilotfolge dem Monster zum Opfer fallen. Den Helden töten? Kam für die Sender-Bosse von ABC nicht in Frage, und so spaltet Jack seit mehreren Staffeln wie kein anderer die Meinungen. Für die einen ist er der im doppelten Sinne perfekte Langeweiler, andere sehen in ihm den einzigen echten Normalo in einer Gruppe von Freaks. Denn was auf dieser Insel sonst noch herum läuft, hat es in sich. Da wird zwar teilweise nicht an Klischees gespart, doch im Gegensatz zu vielen anderen Serien ist dieses eine Klischee, das die Figur zunächst charakterisiert, nur Ausgangspunkt einer tiefgründigen, vielschichtigen Figurenentwicklung. Und das bei zunächst 14 Hauptcharakteren. Richtig gelesen.

Neben Jack, dem Helden (weil Arzt, allerdings mit einem ausgeprägten Retter- und Schuld-Syndrom) gibt es noch Kate, die ihren Stiefvater umgebracht hat und seitdem vom Gesetz gejagt wird; Charlie, ein One-Hit-Wonder-Rockstar, der von seiner Drogensucht befreit werden musste; der Trickbetrüger Sawyer, beide Elternteile tot (Daddy hat Mummy und dann sich selbst erschossen), und dementsprechend traumatisiert, was sich in Arroganz, Überheblichkeit, scheinbarer Gefühlskälte und Macho-Gehabe widerspiegelt; und Hurley, der Gute-Laune-Bär der Insel, dem es faszinierenderweise immer wieder gelingt, simple Wahrheiten auf den Punkt zu bringen. Hinzu gesellt sich das Geschwister-Pärchen Boone und Shannon (mittlerweile jedoch beide "Opfer der Insel"); das von vielen Fans gehasste Vater-Sohn-Gespann Michael und Walt (mittlerweile mit einem Motorboot die Insel verlassen), die ehemals schwangere und jetzt treusorgende junge Mutter Claire; das koreanische Ehepaar Sun und Jin; und Mr. Eko, ein Priester aus Nigeria.
Von Bedeutung ist auch der Iraker Sayid, hinter dem man trotz Aussagen wie "Ich bin Iraker, kein Terrorist" kein allzu mächtiges politisches Statement vermuten sollte. Doch trotzdem: Einen Charakter dieser Herkunft als Sympathieträger und Hauptfigur in einer amerikanischen Serie zu etablieren, darf zumindest als mutig bezeichnet werden.

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Und dann ist da zu guter letzt noch ein weiterer Herr, an dem sich die Geister scheiden, der aber einfach unbestritten so interessant, wichtig und unverzichtbar ist wie kein anderer: Warum? Weil er aus ungeklärter Ursache seit dem Absturz nicht mehr gelähmt ist. Weil er nach eigener Aussage der "Insel ins Auge gesehen" und dabei etwas "Wunderbares" entdeckt hat. Soll heißen: Er hat eine Begegnung mit dem Monster überlebt. Kurz um: John Locke scheint als Einziger ansatzweise einen Plan zu haben, was auf dieser Insel vor sich geht. Behält es aber selbstverständlich für sich.


John Locke und Jack Shepard - das allein ist eine Welt für sich. Der erste ist ein Mann des Glaubens, der zweite ein Mann der Wissenschaft. Immer wieder wird das zum zentralen Konflikt der Serie. Die Zahlen in den Computer eingeben, alle 108 Minuten? Ergibt das Sinn? Rettet das die Welt? John sagt: ja. Jack sagt: nein. Ironischerweise ist es ausgerechnet John, der im Finale der zweiten Staffel von seinem Glauben abrückt und den Countdown ablaufen lässt - und damit selbstverständlich den Wunsch aller Fans erfüllt. Denn die wollen nicht sehen, was NICHT passiert, sondern WAS passiert.

Es ließe sich nun rein subjektiv aufdröseln, was das Besondere an dieser Serie ist. Dass es diese Kombination aus Drama, Abenteuer und Mystery ist, in Verbindung mit dieser Location, was es im Fernsehen einfach noch nicht gegeben hat. Dass die Darsteller einen hervorragenden Job machen (Locke-Darsteller Terry O'Quinn wurde kürzlich mit dem Emmy ausgezeichnet, für Jack-Darsteller Matthew Fox ist diese Auszeichnung längst überfällig), ebenso wie Drehbuch-Autoren, Regisseure und der gesamte Rest. Dass es selten solch großartig komponierte Musik zu hören gibt (von Michael Giacchino, dessen Score aktuell den Kino-Film "Ratatouille" bereichert). Dass man mindestens einmal pro Episode staunend vor der Glotze hockt und nicht fassen kann, was gerade vor sich geht. Dass es auch vorkommt, dass man den Mund gleich eine komplette Episode kaum zubekommt oder nur, um zu einem "Was zum Teufel geschieht hier gerade?" auszuholen. Man nehme die Wendungen und Überraschungen von "24" und bilde ein Vielfaches davon. Das ist "Lost". Ja, das wären wohl die üblichen Kriterien, anhand derer man die Qualität eines Films oder einer Serie beurteilt. Doch "Lost" geht weit darüber hinaus.

Im Zeitalter des Internets ist vieles möglich. Zum Beispiel, dass eine Folge eigentlich erst mit ihrem Ende beginnt. Soll heißen: Die 45 Minuten pro Woche mögen mal sensationell, mal eher langweilig sein - richtig rund geht's für einige erst im Anschluss. Das Web ist bis zum Erbrechen gefüllt mit Foren, Theorien und Seiten über diese Serie. Da werden Episoden bis aufs kleinste Detail auseinander genommen, jedes Puzzle-Stück auf unterschiedlichste Art und Weise interpretiert. Da werden Dinge gesehen, die überhaupt nicht da sind. Verbindungen gezogen, die keinen Sinn ergeben. Und dann wird irgendwo in Minute 3, Sekunde 44 eine Entdeckung gemacht, veröffentlicht und diese zieht sofort dutzende Antworten nach sich. Aus einer winzigen Entdeckung entstehen Theorien. Hunderte. Tausende. Teils aberwitzig. Teils richtig. Das ist verrückt - ganz klar, aber so wird Kult geboren. In diesen Ausmaßen hat es das einfach noch nicht gegeben. Und eben dieses Folgen-Überbrücken durch wildes Spekulieren ist vielleicht sogar der eigentliche Spaß an der Serie. Antworten werden da von vielen fast als störend empfunden. Mit jeder Antwort stirbt schließlich ein weiterer Teil des großen "Lost"-Mythos. Und dass die Antworten längst nicht alle befriedigen, ist auch klar.
Ach ja: Wer es bei der Serie an sich belassen und sich ein normales Leben bewahren möchte, ist natürlich keineswegs im Nachteil. Alles, was über diese 45 Minuten pro Woche hinausgeht, ist schlicht für die, die nicht genug bekommen können.

Lost

Was "Lost" von anderen Serien maßgeblich unterscheidet, ist nicht nur diese enorm ausgeprägte und im TV-Bereich vermutlich einmalige Fan-Kultur, sondern auch die Struktur der Serie. "Lost" beginnt mit dem Flugzeugabsturz, fokussiert sich also sofort auf das Insel-Geschehen und hält die Ereignisse auch reichlich straff (am Ende der dritten Staffel sind seit dem Absturz erst wenige Monate vergangen). 45 Minuten mit Handlung zu füllen, die allein auf der Insel spielt, ist allerdings schwierig, und um dieses Problem zu lösen und auch etwas über das Vorleben der Figuren zu erfahren, wurde das Flashback-Konzept der Serie entwickelt. So steht in jeder Folge ein anderer der zahlreichen Charaktere im Mittelpunkt, und etwa ein Drittel der Episode wird durch einen Handlungsstrang in der Vergangenheit abgedeckt, der eine wichtige Etappe im Leben des jeweiligen Gestrandeten beleuchtet. Die Flashbacks schaffen jedoch nicht nur nötiges (und oft genug sehr überraschendes) Hintergrundwissen über die Charaktere, sondern ziehen auch ungeahnte Verbindungen zwischen den Charakteren und ermöglichen eine geschickte Wechsel-Wirkung von Vergangenheit und Gegenwart. Viele Episoden beginnen beispielsweise mit einer rätselhaften Handlung eines Gestrandeten auf der Insel und erst am Ende der Folge, in einem Flashback, wird klar, was die Figur zu dieser Aktion motiviert hat.

Wir haben die Serie, wir haben die Fans - fehlen noch die Menschen, ohne die es "Lost" nicht gäbe. J.J. Abrams gehört zu den Gründungs-Vätern der Serie, hat das Konzept miterarbeitet. Vor "Lost" kannte man ihn durch die ebenfalls hochwertige Agenten-Serie "Alias", nun kennt ihn auch das breite Publikum durch seine Regie bei "Mission: Impossible 3". Und aktuell arbeitet er am elften "Star Trek"-Kino-Abenteuer. Abrams war somit lange Zeit der Mann, beziehungsweise der Name, mit dem man "Lost" in Verbindung brachte. Mittlerweile haben andere das Zepter in die Hand genommen. Die Autoren Damon Lindelof und Carlton Cuse sind nun die Masterminds, die die Serie am Leben erhalten und die Richtung vorgeben. Bei den Fans extrem beliebt sind sie nicht zuletzt aufgrund ihres PodCasts, der während der Ausstrahlungs-Zeit wöchentlich erscheint. Darin geben sie beispielsweise einen Ausblick auf die nächste Folge und stiften noch mehr Verwirrung als es ohnehin schon gibt.

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Gerade zu Beginn der Serie war diese Verwirrung noch am Größten. Was waren das für herrliche Zeiten, als noch die skurrilsten Theorien durch Köpfe und Foren spukten, um das große mysteriöse Ganze zu erklären. Aliens! Ein Traum! Fegefeuer! Truman-Show! Alles längst dementiert. Dieses Gefühl, so überhaupt nicht zu wissen, wo die Insel liegt, was ihr Geheimnis ist und was das für komische Leute sind, ist weg. Und das wird auch nicht wiederkommen, auch wenn sich die Macher sehr viel Mühe geben, mit immer neuen Rätseln die Spekulationen ungebrochen am Leben zu halten.


In Staffel 3, die nun in Deutschland anläuft, soll es zurück zu den Wurzeln gehen. Die Charaktere rücken wieder verstärkt ins Blickfeld, auf den Faktor Abenteuer, eines von vielen hier bedienten Sub-Genres, wird wieder mehr Wert gelegt. Dazu natürlich die übliche Portion Mystery mit vielen Fragen und wenig Antworten. Das dominierende Thema dieser Staffel sind die "Anderen". Wo und wie sie leben, was ihre Ziele und Absichten sind, wie ihre Vergangenheit aussieht und was sie eigentlich so verdammt geheimnisvoll macht. Worauf man sich aber eigentlich am Meisten freuen darf, das sind die letzten fünf Minuten der Staffel. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Wege die Macher gehen. Aber wer hätte jemals gedacht, dass sie es wagen würden, schon am Ende der dritten Staffel zu zeigen, dass... naja - das sollte man sich vielleicht besser selbst ansehen.

Sechs Staffeln wird es geben. Nicht mehr und hoffentlich auch nicht weniger. Wer jetzt einsteigt, hat also den Großteil noch vor sich. Es existiert sicher kaum eine Serie, die den Einstieg so schwer macht wie "Lost", aber auch keine, die dem treuen Fan soviel für seine Aufmerksamkeit zurückgibt. Davon entmutigen lassen, dass manches rätselhaft erscheint, sollte man sich jedenfalls nicht. Das geht dem Fan der ersten Stunde schließlich immer noch und immer wieder genau so.

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