127 Hours

Originaltitel
127 hours
Land
Jahr
2010
Laufzeit
93 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Volker Robrahn / 26. Februar 2011

Es war natürlich nicht zu erwarten, dass ein Danny Boyle nach seinem riesigen Erfolg mit dem Oscar-Abräumer "Slumdog Millionär" jetzt etwa mit einem ähnlich gelagerten Werk nachlegen würde. Das hat der rastlose Brite nämlich noch nie gemacht, sondern sich stets völlig neue Themen und Lokalitäten gesucht, was fraglos zu einer der interessantesten und abwechslungsreichsten Filmographien der modernen Kinogeschichte geführt hat. In der allerdings

auch nicht jeder Schuss ein Treffer ist: Denn auf jedes "Trainspotting" und "28 Days Later" kommt halt auch ein "The Beach" oder "Sunshine", den Boyle z.B. im Nachhinein selbst als "verunglückt" betrachtet. Dem äußerst faszinierenden Ausflug nach Indien folgt nun einer in die optisch ebenfalls sehr reizvolle Welt der Canyons des tiefen amerikanischen Westens. Auch diesmal ist dem Regisseur dafür eine große Aufmerksamkeit gewiss, doch liegt das vor allem an einer ganz speziellen, das mediale Interesse erregenden Szene. Insgesamt betrachtet ist ihm mit "127 Hours" jedoch leider kein ganz überzeugender Film gelungen.


Es ist die Geschichte eines Mannes, genauer gesagt sogar lediglich die von rund fünf Tagen in dessen Leben. Denn während der Abenteurer und Kletterer Aron Ralston (James Franco) zu Beginn dieser 127 Stunden noch ein wenig unbeschwerte Zeit mit zwei flirtenden Urlauberinnen (Kate Mara und Amber Tamblyn) verbringt, wird er kurz darauf für längere Zeit völlig alleine sein. Was im Grunde von ihm zwar auch durchaus so gewollt war, allerdings nicht unter diesen Umständen. Denn bei einer seiner Solo-Kletterpartien stürzt er in eine Felsspalte und ein nicht von der Stelle zu bewegender Felsbrocken klemmt sich zwischen Arons Arm und den Rest seines Körpers. Er kommt nicht mehr von der Stelle und niemand ist in der Nähe, um seine Hilferufe zu hören. So geht das mehrere Tage, bis schließlich der Wasservorrat knapp wird und die Kräfte des jungen Mannes schwinden. Will er überleben, muss Aron hinsichtlich seines Armes wohl eine Entscheidung treffen….

Diese Geschichte ist tatsächlich so passiert und das vom Überlebenden Aron Ralston selbst verfasste Buch "Between a Rock and a Hard Place" machte sie in der Welt bekannt. Daher, und weil der Film von vornherein mit der "Arm ab"-Dramatik vermarktet wird, macht es auch wenig Sinn hier noch ein Geheimnis daraus zu machen, worauf die ganze Sache dann schließlich hinaus laufen wird. Vor diesem vieldiskutierten "Höhepunkt" der Selbstverstümmlung gilt es allerdings etwas zu erzählen, was als Buch eindeutig besser funktioniert und viele schlicht für unverfilmbar erklären würden, nämlich die vielen einsamen Stunden und Gedanken eines langsam verzweifelnden Mannes, allein in einer schmalen Felsspalte. Andererseits ist es aber auch wiederum keine Überraschung, dass sich ein Danny Boyle von solcher Skepsis nicht abschrecken lässt und uns natürlich demonstrieren möchte, dass man daraus eben doch einen packenden und kurzweiligen Film zaubern kann.

Es wäre auch weder korrekt noch fair zu behaupten, dass dieser Versuch nun eindeutig misslungen sei, allerdings muss der Regisseur und Drehbuchautor dafür diesmal doch ganz tief in die Trickkiste greifen. So sind seine bekannten und typischen Stilmittel wie Split-Screen-Technik, wilde Kamerafahrten und kräftig wummernde Musikuntermalung diesmal auch nicht nur als gelegentliche Auflockerung anzutreffen, sondern werden fast durchgehend zelebriert. Gleich zu Beginn, bei der Anreise des noch frohgelaunten Abenteurers wird man als Betrachter förmlich mit einem visuellen und akustischen Overkill "verwöhnt" und das wird sich in den folgenden Rückblenden auf Arons vorhergegangene Erlebnisse sowie im später einsetzenden Delirium noch fortsetzen, diverse Halluzinationen inklusive. Ist ja auch nett gemacht und sieht gut aus, kann den reinen Selbstzweck allerdings genauso wenig verschleiern wie die Existenzberechtigung einzig aufgrund dringend benötigter Streckung und Abwechslung.

Immerhin: Wirklich langweilig wird es nicht, aber das sollte bei der Konzentration von 127 realen auf eine einzige Filmstunde auch schon irgendwie machbar sein. Und James Franco ist in dieser Charakterrolle wirklich gut, überzieht und übertreibt nicht in seinem Spiel und verfällt auch nicht in die Versuchung, seine Figur zu 100 Prozent sympathisch und Mitgefühl erheischend anzulegen. Denn natürlich ist dieser Aron Ralston im Grunde ein verantwortungsloser Egomane, der ganz bewusst keinem Bekannten und Verwandten erzählt hatte, was er an diesem Wochenende vorhatte oder wo er vielleicht zu finden sei - und so natürlich zu einem guten Stück aus eigenem Verschulden in diese prekäre Situation geraten ist.

War da sonst noch was? Ach ja, die unvermeidliche Selbstamputation natürlich. Eine Szene, bei der es angeblich schon zig Zuschauern so übel geworden ist, dass sie umgehend das Kino verlassen mussten. Das ist eine gute PR-Schlagzeile und darf auch in erster Linie als solche gewertet werden, denn, ganz ehrlich, soo schlimm und heftig ist das Gezeigte hier nun wirklich nicht. Nicht nur, weil vermutlich jeder da schon ganz andere Bilder gesehen haben dürfte, sondern vor allem weil Boyle hier das absolut richtige Maß findet und weder beschönigt noch effekthaschend drauf hält.

Trotz allem drum herum inszenierten Brimborium: Für mehr als knappe 90 Minuten reicht die Prämisse einfach nicht und selbst die werden eben nur mit einigem Getrickse überhaupt erreicht. Dass auch "127 Hours" trotzdem wieder reichlich Oscarnominierungen abgestaubt hat, dürfte daher wohl eher der aktuellen Popularität seines Regisseurs dem an sich ja schon faszinierenden Thema und der großartigen Leistung seines Hauptdarstellers geschuldet sein. Ein wirklich runder Film ist dabei aber nicht herausgekommen, sondern eher ein oft erkennbar bemühtes Experiment.

Bilder: Copyright

8
8/10

Ich kann die "nur" 6-Augen-Bewertung nicht ganz nachvollziehen, denn der Film ist wirklich gelungen. Er holt aus seiner arg begrenzten Haupt-Location (Felsspalte) ein Maximum heraus, und er wird während seiner 90 Minuten Laufzeit -wider Erwarten- nie langweilig. Das liegt zum einen an dem typischen Danny-Boyle-Style (furiose Optik, spektakuläre Kameraführung, wilde Schnitte und aussergewöhnlicher Soundtrack) zum anderen aber auch an James Franco, der wirklich grandios spielt. Ein weiteres Hightlight sind ausserdem die wirklich sehr effektvoll in Szene gesetzten Halluzinazionen des Protagonisten. Alles in allem ein super Film !

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