Schwarzer gegen grauer Panther

Was das Duell zwischen Spike Lee und Clint Eastwood über Obamas neues Amerika sagt

28.06.2008 - Im Rapjargon würde man sagen, sie haben beef miteinander, der in einem battle endet, in dem sich beide dissen. Und während einer Partei im verbalen Scharmützel der letzten Tage und Wochen, dem Afro-Amerikaner Spike Lee, diese Begriffe wohl etwas sagen werden, so wird der fast 80-jährige Jazzfan Clint Eastwood mit Sicherheit damit nichts anfangen können. Genau so wenig wie mit dem Kriegsschauplatz, den Lee eröffnet hat, in dem er Eastwood vor ein paar Wochen vorwarf, dessen Iwo Jima-Kriegsfilm "Flags Of Our Fathers" würde mutwillig Schwarze ignorieren, die ja sehr wohl ihren Teil zum Sieg dort und zum Zweiten Weltkrieg im Allgemeinen beitrugen. Wie so oft findet die faktische Lage die Wahrheit in der Mitte und gibt beiden irgendwo Recht - natürlich waren Schwarze im Zweiten Weltkrieg und auch beim Einsatz in Iwo Jima beteiligt, allerdings in Nachschub- und Sicherungsfunktionen, weswegen Eastwoods Fokus auf das fast exklusiv weiße Kampfbataillon, das die Flagge hisste, durchaus korrekt ist. Aber wie so oft ist auch die Diskussion und ihr Urheber typisch, leider.

Spike Lee

Eastwood mag fast drei Dekaden älter sein, es ist aber Lees Verhalten im verbalen Schlagabtausch, das so altbacken daherkommt wie Lee es Eastwood vorwirft. Ganz schwarzer Aktivist der alten Schule brandmarkte Lee seinen Kontrahenten erst hintergründig und dann direkt als Rassist. Auf Eastwoods Replik, Lee solle angesichts seiner Unwissenheit doch "die Klappe halten" erwiderte Lee "Eastwood ist nicht mein Vater und wir sind nicht auf einer Plantage". Deutlicher kann man wohl kaum das Wort "Rassist" zwischen die Zeilen pressen.
Nun wären Lees unangebracht aggressive Attacken ein Stückchen einfacher zu schlucken, wären sie bei ihm nicht altbekannt als quasi Pavlovscher Reflex auf Kritik an seiner Arbeit oder seinen Standpunkten. Wer nicht mit ihm übereinstimmt, steht automatisch im Generalverdacht, heimlich ein übler Rassist zu sein. Diese Art des Gegenrassismus hat der Autor dieser Zeilen selbst bei einer Berlinale-Pressekonferenz mit dem streitbaren Lee erlebt. Da mussten sich Kollegen, die lediglich gewagt hatten, Kritik an Lees Film zu äußern, mehr oder weniger offen des Rassismus bezichtigen und sich wie Eastwood belehren lassen. Either you're with us or you're against us - diese spätere Maxime der Bush-Regierung galt für Lee auch damals schon. Dass ausgerechnet er jetzt Eastwood einen "angry old man" schimpft ist erstens respektlos und zweitens recht dreist, fällt einem bei der Typisierung "angry black man" doch spontan Lee höchstselbst ein.

Warum aber diese Diskussion gerade jetzt, über anderthalb Jahre nach dem Start von "Flags"? Natürlich kann Lee da seinen anstehenden Film "Miracle at St. Anna" über schwarze Soldaten im Zweiten Weltkrieg anführen. Vielleicht hat es aber auch etwas damit zu tun, dass Eastwood gerade seinen neuen Film "The Changeling" in Cannes vorstellte und wie immer Lobeshymnen einfuhr. Er ist halt einer der beliebtesten Hollywoodpersönlichkeiten, dem sowohl Kritik als auch Publikum enormen Respekt entgegenbringen. Lee dagegen hat seinen Kredit bei Kritikern so gut wie verbraucht, hat auch schon seit Jahren keinen richtig guten Film mehr gedreht und ist insgesamt so weit in der Versenkung verschwunden, dass ihn nur noch derlei verbale Scharmützel in die Schlagzeilen zurückbringen.
Vielleicht ist da ja einfach jemand neidisch auf den ikonischen Status des Kollegen? Letztlich reiht sich dieser Verbalangriff Lees nur in eine ganze Reihe ähnlicher Manöver ein, ob nun seine weit publizierte Fehde mit Quentin Tarantino über den Gebrauch des N-Wortes oder seine kontroverse Behauptung, die weiße Basketball-Legende Larry Byrd würde nur aufgrund rassistischer Motivation eben diesen Status innehaben - weil der US-Basketball sonst komplett frei von legendären weißen Spielern wäre.

Eastwood

Und damit wirft Lee noch mal ein Schlaglicht auf immer noch unüberbrückbar scheinende Barrieren im Rassendiskurs, auch in Barack Obamas neuem Amerika. Denn in dem Jahr, in dem ein Schwarzer zum ersten Mal nicht nur als Präsidentschaftskandidat antritt, sondern auch gute Chancen hat diese Wahl tatsächlich zu gewinnen, ist das natürlich ein Rückschlag. "Yes, We Can", Obamas Mantra, sollte natürlich auch für den neuen, natürlicheren Umgang von Schwarz und Weiß miteinander gelten. Und zwar indem Barack Obama seine Hautfarbe gar nicht erst zum Thema machte, bis er von den kontroversen Aussagen seines ehemaligen Pastors dazu gezwungen wurde.

Obamas Vision für seine Präsidentschaft sind Vereinigte Staaten, in denen Rassenzugehörigkeit als Thema überwunden wird. Und das ist etwas, was Spike Lee - einem afro-amerikanischen "Aktivisten" und rhetorischen Brandstifter wie Al Sharpton manchmal nicht unähnlich - denn doch nicht möchte. Da gäbe es ja weniger Möglichkeit zur Anprangerung von Missständen, auch wenn das bei Lee immer mehr zum Mittel der Selbstvermarktung verkommt.
"Yes, We Can" - für Spike Lee sollte dies das Mantra fürs Filmemachen sein, damit der wohl einflussreichste schwarze Regisseur aller Zeiten auch mal wieder einen Film abliefert, der seinem angestaubten Ruhm Ehre macht, anstatt sich derlei unnötige und unnötig hässliche Kämpfe zu liefern. Damit entlarvt er ohnehin nicht etwa den politisch nicht festlegbaren Humanisten Clint Eastwood, sondern nur sich selbst als unverbesserlichen Starrkopf.

S. Staake


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