Interview mit Joann Sfar, Regisseur und Autor von "Gainsbourg"

von Volker Robrahn / 25. September 2011

Er ist mit mehr als 100 Alben in nur wenigen Jahren einer der produktivsten und mittlerweile auch erfolgreichsten französischen Comiczeicher und -autoren. Auch bei uns erfreuen sich das mit anderen Künstlern gemeinsam geschaffene Fantasy-Universum des "Donjon" oder die bereits mehrfach nachgedruckte "Katze des Rabbiners" einer steigenden Beliebtheit. Nicht nur in der letztgenannten Reihe spielt Joann Sfar dabei auf sehr lockere und geistreiche Art mit den theoretischen und praktischen Aspekten des modernen Judentums. Mit dem Film über die französische Ikone Serge Gainsbourg wechselt er nun das Medium und liefert seine erste Regiearbeit ab, allerdings nicht ohne darin einige Comic-hafte und surreale Momente zu integrieren. "Gainsbourg" eröffnete auch das diesjährige Filmfest Hamburg und Filmszene sprach am Tag nach der Vorführung mit Joann Sfar.

Schaut mürrisch, ist aber ein sehr geselliger Bursche: Joann Sfar beim Interview

Filmszene: Joann, fühlten Sie sich denn wohl bei Ihrer ersten Arbeit im Filmgeschäft, die sich doch sicher stark von der im Atelier am Zeichentisch unterscheidet?

Joann Sfar: Es war sehr, sehr aufregend. Mit einer Crew von rund 400 Leuten, die man im Prinzip Stück für Stück von jeder einzelnen Idee erst überzeugen muss. Man gibt und bekommt einiges zurück, aber eben während der Arbeit und nicht wie sonst, wo ich ein Album allein fertig stelle und erst nach der Veröffentlichung eine Reaktion erhalte. Das war sehr interessant für mich und es hat mich auch gezwungen sich ordentlich zu benehmen gegenüber all diesen Menschen. Das war neu für mich, denn sonst sitze ich ja allein zu Hause und trete nur gelegentlich meinen Hund, wenn mir was nicht passt. Nein, das tue ich natürlich nicht.

Was aus Ihrer Comic-Erfahrung konnten Sie denn bei den Filmarbeiten einbringen?

Das Schreiben hat mir da nicht so viel genutzt, denn ein Filmdrehbuch wird ganz anders geschrieben als ein Comicalbum. Aber das Zeichnen war sehr hilfreich, denn indem ich viele Zeichnungen für die Crew angefertigt habe, konnte ich damit viel besser und einfacher erklären wie ich mir bestimmte Szenen vorstellte.

Hat auch der Einsatz der verschiedenen Puppen etwas mit ihrer Comic-Herkunft zu tun?

Das hatte eher den Grund, dass ich unbedingt einmal mit Puppen arbeiten wollte. Und da ich ja nicht wusste, ob der Film ein Erfolg wird und es nicht eventuell sowohl mein erster als auch mein letzter sein wird, habe ich das eben sofort gemacht. Ich hatte dabei das große Glück praktisch das gesamte Team von Guillermo del Toro aus Spanien zu bekommen, inklusive Doug Jones als Darsteller, der ja ebenfalls in "Pan's Labyrinth" dabei war. Ich konnte diese Leute damit motivieren, dass sie auch mal etwas erschaffen konnten was kein angsteinflößendes Monster ist. Und sie waren, glaube ich, erstaunt, dass soviel Kreativität bei einem französischen Film möglich ist.

Szene aus "Gainsbourg": Serge und seine langjährige Geliebte Jane Birkin

Für diesen Film ist sicher Ihre jahrelange eigene Faszination für das Thema "Serge Gainsbourg" verantwortlich. Aber bedeutet dass denn, dass es das nun auch schon war und Sie nur diesen einen Film machen wollten. Oder haben Sie nun Blut geleckt und möchten in dem Bereich weitermachen?

Sagen wir mal so: Ich fühle mich zwar nicht direkt "berufen" Filme zu machen, denn dieses Gefühl, dass es meine Bestimmung ist, habe ich nur bei den Comics und das ist es was ich sicher immer tun werde. Aber trotzdem möchte ich auch gerne noch weiter Filme machen und der nächste ist ja auch schon in Produktion. Das wird allerdings kein Realfilm, sondern eine animierte Fassung von der "Katze des Rabbiners". Ganz klassischer Zeichentrick nach Disney-Tradition, aber wir machen es mit einem 3D-Panorama-Effekt. Auch Realfilme möchte ich noch drehen, aber dafür muss vieles stimmen, das Geld, die Zeit, das Thema. Wenn alles passt - wunderbar, aber wenn es nicht zustande kommt ist das auch nicht weiter schlimm für mich. Denn ich "muss" das nicht machen, ich muss nur zeichnen.

Ihre Geschichten, auch im Fall "Gainsbourg" handeln oft von jüdischer Kultur und Religion.

Ja, denn ich komme aus einer tief-religiösen jüdischen Familie, bin aber selbst nicht gläubig, sondern eher ein Agnostiker und Provokateur, der auch gerne sexuelle Inhalte in seine Geschichten mit einbaut. Einerseits, denn daneben mache ich ja auch viele Sachen für Kinder, mit Vampiren, Monstern und so weiter. Aber es kommen in der Tat sehr viele jüdische Charaktere darin vor und das führe ich auf den Einfluss von Leuten wie Philip Roth oder Woody Allen zurück.

Auch "Gainsbourg" ist in gewisser Weise ein Märchen, denn der Film spult nicht nur die Fakten runter wie viele andere Biopictures, sondern enthält auch diverse surreale Fantasy-Momente. War es für Sie von Beginn an klar, dass ein Joann Sfar-Film auch so etwas enthalten muss?

Für mich, ja. Aber wie Sie sich denken können, hat man natürlich von Produzentenseite versucht mir Sachen wie die große Puppe auszureden. Aber ich liebe die Filme von Del Toro, Terry Gilliam oder Tim Burton und so etwas wollte ich machen, das ist auch mein Stil und meine Art von Film. Und eines war klar: Wenn man meine Ideen und Vorschläge nicht akzeptiert hätte, hätte ich auch den Film nicht gemacht, denn ich muss das nicht tun, ich habe ja meine Comics. Aber der Film wird nun von Universal mitfinanziert und ist deshalb auch zum Teil ein amerikanischer und dort mochte man meine Ideen. Für mich ist es eher eine Art Musical oder zumindest eine "Arbeit mit Musik" als eine klassische Biographie. Mein Vorbild war da ein wenig "Ein Amerikaner in Paris".

Mutige Vorstellung: Laetitia Casta im Film als Brigitte Bardot

Wie groß war das Risiko sich an eine Ikone wie Serge Gainsbourg zu wagen, der ja in Frankreich einen ganz besonderen Status genießt?

Weil das so ist, kann mein Film nie DIE Wahrheit über Serge Gainsbourg sein, sondern natürlich nur eine und zwar meine ganz persönliche Version davon. Denn wenn ich zeige, wie Gainsbourg und die Bardot sich küssen, lieben und gemeinsam Musik machen, dann spiele ich da mit der kollektiven Erinnerung des französischen Volkes. Ich finde das aber großartig, einfach mal zu schauen was WIR dann mit diesen Nationalhelden anstellen können. Es ist übrigens auffällig, dass so gut wie alle Erinnerungen von Außenstehenden an prägende französische Stars sich auf die 60er Jahre beziehen. Offensichtlich haben wir seit dem nichts Bedeutendes mehr produziert. Bardot, Belmondo, Delon - es sind immer noch die gleichen alten Namen die einem zuerst einfallen. Das ist eine der Fragen, die ich mir stelle: Warum haben wir in Frankreich seit Jahrzehnten nichts so Ikonenhaftes mehr hervorgebracht?

So wird ja auch alle paar Jahre eine "neue" Brigitte Bardot ausgerufen, ein Schicksal welches auch Laetitia Casta widerfuhr, die sich nun aber sogar traut die Bardot zu spielen. Ist das mutig?

Das ist es, absolut. Denn Laetitia sieht BB ja schon ein wenig ähnlich und wird oft mit ihr verglichen. Daher war es schon gefährlich für ihre Karriere, sich diesem Vergleich nun so direkt zu stellen, denn natürlich könnten die Leute sagen "Wie kannst Du es wagen?". In meinen Augen liefert sie aber eine ganz wundervolle und großartige Performance ab.

In Deutschland ist Gainsbourg allerdings nicht so bekannt, viele kennen höchstens "Je t'aime". Es könnte also sein, dass Ihr Bild von ihm nun hier und in anderen Ländern prägend wirkt.

Das wäre doch gar nicht so schlecht, oder? Aber für mich ist die Reaktion des internationalen Publikums sehr interessant. Der Film war zwar in Frankreich durchaus erfolgreich, aber das könnte eben auch allein an dem Namen "Gainsbourg" gelegen haben, der die Leute dort ganz von selbst anzieht. Wenn die Leute in anderen Ländern den Film aber ebenfalls mögen, dann hat das ja vielleicht sogar etwas mehr mit meiner Arbeit zu tun. Und es würde mich freuen, wenn man dort vielleicht auch diese schöne Musik entdeckt.


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