Black Swan

Originaltitel
Black Swan
Land
Jahr
2010
Laufzeit
107 min
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Volker Robrahn / 26. Februar 2011

 

Eine neue Spielzeit steht an im renommierten New Yorker Ballett und es gilt den Hauptpart der geplanten "Schwanensee"-Inszenierung zu besetzen. Zwar macht sich Nina (Natalie Portman) aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihres vorbildlichen Fleißes zu Recht Hoffnungen auf diese Traumrolle, doch wird sie dabei durch die Psychospielchen ihres Regisseurs Thomas Leroy (Vincent Cassel) immer wieder verunsichert und zurückgeworfen. Der hat zwar keinerlei Zweifel an Ninas tänzerischen Fähigkeiten, ist sich aber nicht so sicher, ob die meist etwas zu brave und sachliche junge Frau auch die Ausdruckskraft und Leidenschaft für die dunkle Version ihrer Rolle, den "Schwarzen Schwan" aufbringen kann. Schließlich gibt Leroy ihr den Part, hört aber keineswegs auf sie mit ständigen Bemerkungen über ihre mangelhafte Verführungskunst und sexuelle Ausstrahlung zu kritisieren. Ninas ehrgeizige Mutter (Barbara Hershey), das Schicksal der ausgemusterten Vorgängerin Beth (Winona Ryder) und das Auftauchen der neuen vermeintlichen Rivalin Lily (Mila Kunis) tragen ebenfalls dazu bei, dass sich ihre Stimmung langsam von Verunsicherung in Panik verwandelt. Als an Ninas Körper schließlich auch unerklärliche Verletzungen sichtbar werden, stellt sich die Frage ob die angehende Primaballerina dabei ist, den Bezug zur Realität zu verlieren.

Nachdem er mit "The Wrestler" zu der Form zurück gefunden hatte, die seine frühen Werke uns mal versprochen haben, legt Darren Aronofsky nun überzeugend nach. Sein "Black Swan" ist ein beeindruckendes, perfekt durchkomponiertes Werk, das wie sein Vorgänger von der Leistung eines überragenden Hauptdarstellers geadelt wird. Das ist in diesem Falle natürlich eine Darstellerin mit Namen Natalie Portman, die ihrem ohnehin bereits recht beeindruckenden Schaffen nun als verstörte Schwanenprinzessin die bisherige Krone aufsetzt. Genau wie ihre Filmfigur spielt sich auch Portman hier die Seele aus dem Leib und das sogar fast im wörtlichen Sinne. Dies geschieht allerdings nicht etwa durch penetrantes Overacting, sondern mit der sehr nuancierten Darstellung kleiner Blicke und Gesten sowie einer Verletzlichkeit, welche die Schauspielerin vollständig hinter ihrer Filmfigur verschwinden lässt.
Da der Zuschauer das Geschehen stets aus Ninas Perspektive verfolgt, ist er dabei dann natürlich auch dieser nicht unbedingt immer verlässlichen Quelle ausgesetzt und dazu aufgerufen, sich mit kühlem Verstand selbst einen Reim auf die diversen Vorkommnisse zu machen. Eine fordernde, aber eben auch hochspannende Angelegenheit, bei der das Drehbuch von Mark Heyman aber glücklicherweise nie in Sphären abgleitet, die man dann kaum noch plausibel rechtfertigen oder erklären könnte. Stattdessen bleibt vieles ambivalent, wie das Verhalten der Kollegin Lily (ist sie eine Intrigantin und Konkurrentin oder doch nur eine wohlmeinende Freundin mit guten Absichten?) oder des Regisseurs Leroy (nutzt er seine Position aus um die Frauen sexuell zu benutzen oder dienen diese Aktionen lediglich dazu, sie zu besseren Leistungen anzutreiben?).

Man kann bei "Black Swan" ziemlich offensichtliche Parallelen zum "Wrestler" ziehen, Aronofsky selbst hat seinen Film auch bereits als eine Art weibliches "Spiegelbild" zur zuvor gezeigten rauen Männerwelt beschrieben. Auch hier wird erneut ein nach ganz eigenen und für Außenstehende mitunter absurd anmutenden Regeln funktionierender Mikrokosmos nicht nur gezeigt, sondern förmlich seziert und dabei wird deutlich, dass die am Ende fürs Publikum sichtbare Show wenig mit der täglichen Realität der Beteiligten zu tun hat. Denn die besteht aus unendlichen Wiederholungen der gleichen Schrittfolgen und schmerzhafter körperlicher Arbeit mit geringem Glamourfaktor. Eine Welt, bei der man sich oft genug fragt, warum diese Menschen sich das antun, und doch gleichzeitig erkennt und versteht, dass sich für die darin "Gefangenen" diese Frage schlicht nicht mehr stellt, denn es ist alles woraus sie ihre Existenzberechtigung beziehen.
Ganz tief drin in diesem Ballett von Ehrgeiz und Schmerz stecken auch Ninas Mutter und die jahrelange Star-Ballerina Beth, denen Barbara Hershey und Winona Ryder in nur wenigen Szenen mehr Bedeutung und Charisma verleihen als es im Gegensatz Mila Kunis bei ihrer eher funktional und oberflächlich angelegten Lily gelingt. Aber vielleicht muss das bei einer bewusst offen gelassenen Charakterisierung auch so sein.

Die realistische Wirkung seiner Geschichte erzielt Aronofsky dabei erneut durch den Einsatz grobkörniger Bilder und der ja nicht von allen geliebten Handkamera, die aber eben für genau solche Einsätze sinnvoll ist. Der Filmemacher benutzt aber auch noch ganz andere Stilmittel, nämlich die des gemeinen Horrorfilms, und greift dabei sogar gelegentlich frech in die Schublade mit den Zutaten eines trivialen Teenie-Slashers. Wenn sich bei Nina immer wieder neue Wunden am Körper bilden, ein Fußnagel zu blutigen "Igitt"-Effekten führt oder sich eine Schreckensvision der gequälten Frau ganz offensichtlich als Albtraum entpuppt - dann ist das im Grunde auch nichts anderes als das Handwerk des Horrorfilmers, welches aber in dieser "intellektuellen" Umgebung und Verpackung dann den einen oder anderen Arthouse-Besucher ebenfalls leicht verstören oder zumindest doch erschrecken dürfte.
Lobenswert aber, dass all das am Ende nicht bequem in einer offenen und unverbindlichen "Muss jeder für sich selbst interpretieren"- Auflösung kulminiert. Stattdessen wird doch relativ klar, was nun wirklich geschehen ist (und was nicht). Ohne dabei zuviel zu verraten, möchten wir hier die letzte Einstellung zitieren, bei der nach dem Satz "Es war perfekt" donnernder Applaus einsetzt. Denn das gilt so im Großen und Ganzen auch für diesen Film.

Bilder: Copyright

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