Vorschau auf die Oscar-Verleihung 2014

von Frank-Michael Helmke / 12. Februar 2014

Während im Rheinland der Karneval tobt, tobt in Hollywood das Oscar-Fieber - lustigerweise fällt die Oscar-Verleihung dieses Jahr auf die Nacht vor Rosenmontag, vom 2. auf den 3. März. Gemeinsam haben beide Ereignisse höchstens, dass man sich dafür besonders herausputzt, und das feuchtfröhlich gefeiert wird. In Hollywood allerdings wenn dann erst nach der Verleihung. Aber wer kann sich ernsthafte Chancen ausrechnen, nach der Zeremonie mit gutem Grund die Korken knallen zu lassen?
Wie jedes Jahr analysieren wir an dieser Stelle das Kandidatenfeld und den Stand des Rennens vor der wichtigsten Filmnacht des Jahres, und geben unsere Siegertipps ab. 

BESTER FILM

Wer ist nominiert?
"American Hustle", "Captain Phillips", "Dallas Buyers Club", "Gravity", "Her", "Nebraska", "Philomena", "12 Years a Slave", "The Wolf of Wall Street"

Wer fehlt?
Seitdem die Anzahl der möglichen Nominierten in der Hauptkategorie auf bis zu zehn erweitert wurde, ist ein Großteil der möglichen Spannung/Kontroverse hier verloren gegangen, und so setzt sich das Feld hier wie auch in den letzten Jahren aus den üblichen Verdächtigen zusammen. Manch einer hätte sicher gerne Ron Howards "Rush" berücksichtigt gesehen, doch da sich die Amerikaner nicht für Formel Eins interessieren und der Film an den Kinokassen entsprechend schon ziemlich untergangen war, blieb das ein frommer Wunsch. Woody Allens "Blue Jasmine" muss sich mit Nominierungen für Darsteller und Drehbuch begnügen, und die bei den Oscars sonst immer recht verwöhnten Coen-Brüder bleiben mit ihrem "Inside Llewyn Davis" diesmal fast ganz außen vor.

Wie sieht das Rennen aus?
Spätestens seit den Golden Globes hat sich ein klares Duell heraus kristallisiert, da dort praktischerweise immer zwei Filme ausgezeichnet werden: Fürs beste Drama gewann "12 Years a Slave", als beste Komödie "American Hustle". Es deutet alles darauf hin, dass sich auch bei den Oscars das Rennen zwischen diesen beiden entscheidet. Es gibt allerdings auch einen Außenseiter, den man keinesfalls außer acht lassen sollte: "Gravity" entspringt zwar eigentlich einem Genre, das die Oscar-Akademie normalerweise nicht einmal mit dem Hintern anschaut. Sein phänomenaler Siegeszug an der Kinokasse und vor allem seine herausragende handwerkliche Brillanz könnten diesen SciFi-Geniestreich am Ende des Oscar-Abends dennoch zum ganz großen Gewinner machen. In der Addition aller Kategorien stehen die Chancen jedenfalls sehr gut, dass "Gravity" am Ende mehr Preise mit nach Hause nimmt als die beiden vermeintlichen Hauptfavoriten. Da die Oscar-Akademie aber immer noch ein ziemlich konservativer Haufen ist und mit "12 Years a Slave" nun mal ein Drama vorliegt, dass sowohl filmisch herausragend als auch filmhistorisch höchst relevant ist, wird es die Konkurrenz gegen ihn sehr schwer haben. Ein Indiz spricht indes für "American Hustle": Einige unserer Leser haben die „Regel“ ausgemacht, dass der Sieger in dieser Hauptkategorie von uns bei Filmszene immer „nur“ eine Acht-Augen-Wertung bekommen hat. Das hat sich auch letztes Jahr erneut bestätigt, als "Argo" gegen "Lincoln" triumphierte. :-)

Wer wird gewinnen? „12 Years a Slave“

BESTE REGIE

Wer ist nominiert?
Alfonso Cuarón (Gravity)
Steve McQueen (12 Years a Slave)
David O. Russell (American Hustle)
Martin Scorsese (The Wolf of Wall Street)
Alexander Payne (Nebraska)

Wer fehlt?
Seit der Erweiterung der Nominierungsmenge für den besten Film gilt hier umso mehr: Wer für den Film nominiert ist, aber nicht für die Regie, hat quasi schon einen Schlag ins Gesicht bekommen (und zugleich den Stempel der garantierten Chancenlosigkeit in der Hauptkategorie). Bemerkenswert ist hier vor allem die Auslassung von Paul Greengrass ("Captain Phillips"), der bei den Globes noch nominiet war, bei den Oscars nun aber Platz machen musste für die bereits achte (und unverdienteste) Regie-Nominierung von Martin Scorsese. Auch erwähnenswert, dass Alexander Payne mit seinem beim Publikum fast gänzlich untergegangenen "Nebraska" hier immerhin ein verdiente Würdigung erhält.

Wie sieht das Rennen aus?
Normalerweise würde sich das Duell um den besten Film automatisch auf diese Kategorie ausweiten, so dass McQueen und Russell als Favoriten gelten müssten. Aber schon hier muss dieser Zwei- definitiv zu einem Dreikampf erweitert werden, bei dem der wahre Favorit Alfonso Cuáron heißt. Der hatte auch bei den Golden Globes die Nase vorn, und seien wir mal ehrlich: "Gravity" ist in Sachen Inszenierung die alles überragende Leistung des letzten Kinojahres. In Sachen bester Film kann man sich streiten, in Sachen Regie kann es nur einen einzigen verdienten Sieger geben, so dass zum zweiten Mal in Folge ein Split bei den Preisen für Film und Regie (letztes Jahr gewann Ang Lee zurecht für "Life of Pi") wahrscheinlich ist. In der Oscar-Historie sonst eine große Ausnahme. 

Wer wird gewinnen? Alfonso Cuáron für „Gravity“
 

BESTER HAUPTDARSTELLER

Wer ist nominiert?

Christian Bale (American Hustle)
Bruce Dern (Nebraska)
Leonardo DiCaprio (The Wolf of Wall Street)
Chiwetel Ejiofor (12 Years a Slave)
Matthew McConaughey (Dallas Buyers Club)

Wer fehlt?
Viele hatten hier mit Tom Hanks für seine beachtliche Leistung in "Captain Phillips" gerechnet, und auch bei Robert Redford hätte man vermuten können, dass er auf seine alten Tage für seine One-Man-Show in "All is Lost" von seinen Hollywood-Kollegen noch einmal mit einer Nominierung gewürdigt wird. Der "Ehre für einen alten Mann"-Spot ging nun aber an Bruce Dern. Ansonsten kann man sich eigentlich nur freuen, dass das Feld herausragender Darstellerleistungen dieses Jahr so verdammt dicht ist, dass illustre Namen wie Hanks oder Redford auf der Strecke bleiben. Die Fünf, die hier stehen, haben es jedenfalls verdient. 

Wie sieht das Rennen aus?
DiCaprio strampelt sich schon eine ganze Weile ab, um von der Academy endlich gewürdigt zu werden. Und er war wohl noch nie so nah dran wie dieses Mal. Für seine hemmungslose Über-Performance als "Wolf of Wall Street" hat er bereits den Golden Globe in der Komödien-Sparte gewonnen. Es wird bei den Oscars aber auch diesmal nicht für ihn reichen, da ihn ein anderer ehemaliger Posterboy beim Wandel vom Schönling zum Charakterdarsteller dieses Jahr rechts überholt hat: Matthew McCounaghey hat DiCaprio nicht nur in ihrer einen gemeinsamen Szene in "The Wolf of Wall Street" gezeigt, wie der Hase läuft, er hat im Vorfeld auch jeden anderen Darstellerpreis gewonnen, bei dem die beiden direkt gegeneinander antraten. Das wird bei den Oscars nicht anders sein. 

Wer wird gewinnen? Matthew McCounaghey für „Dallas Buyers Club“
 

BESTE HAUPTDARSTELLERIN

Wer ist nominiert?

Amy Adams (American Hustle)
Cate Blanchett (Blue Jasmine)
Sandra Bullock (Gravity)
Judi Dench (Philomena)
Meryl Streep (Im August in Osage County)

Wer fehlt?
Alle Indie-Fans hätten Greta Gerwig ("Frances Ha") gern hier gesehen. Echte Chancen hatte sie indes nicht. Ansonsten ist hier alles wie zu erwarten war. Und das bedeutet natürlich auch wieder mal eine Nominierung für die unvermeidliche Meryl Streep. Die wird mit der Entscheidung aber diesmal nichts zu tun haben. 

Wie sieht das Rennen aus?
Wohl nirgendwo ist die Entscheidung dieses Jahr so eindeutig wie hier. Cate Blanchetts Vorstellung in "Blue Jasmine" wird mancherorts nicht nur als beste Performance des Jahres, sondern gar als eine der besten schauspielerischen Leistungen aller Zeiten gelobt. Darüber kann man sich vielleicht noch streiten. Über ihren zweiten Oscar-Sieg hier indes nicht. Sorry, Sandra Bullock.

Wer wird gewinnen? Cate Blanchett für „Blue Jasmine“
 

BESTER NEBENDARSTELLER

Wer ist nominiert?

Barkhad Abdi (Captain Phillips)
Bradley Cooper (American Hustle)
Jonah Hill (The Wolf of Wall Street)
Michael Fassbender (12 Years a Slave)
Jared Leto (Dallas Buyers Club)

Wie sieht das Rennen aus?
Wäre es Daniel Brühl geglückt, für seine fantastische Darstellung als Niki Lauda in "Rush" hier eine Nominierung abzustauben, hätten die deutschen Medien der Oscar-Verleihung vermutlich deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet als sonst. Das hat aber leider nicht geklappt. Auch nicht klappen wird es mit dem überfälligen Oscar für Michael Fassbender. Der hätte für "12 Years a Slave" zwar durchaus einen verdient, aber ebenso wie Leonardo DiCaprio wird er sich für "Noch nie so nah dran gewesen" auch nix kaufen können. Denn alle bisherigen Preisverleihungen der Saison haben gezeigt, dass dieses Jahr kein Weg vorbei führt an einem Mann, der es schafft gleichzeitig als schönes Gesicht für Männerparfum zu werben, Frontmann einer weltweit erfolgreichen Rockband zu sein und als an AIDS sterbender Transvestit sogar Matthew McCounaghey an die Wand zu spielen.

Wer wird gewinnen? Jared Leto für „Dallas Buyers Club“
 

BESTE NEBENDARSTELLERIN

Wer ist nominiert?

Sally Hawkins (Blue Jasmine)
Julia Roberts (Im August in Osage County)
Lupita Nyong'o (12 Years a Slave)
Jennifer Lawrence (American Hustle)
June Squibb (Nebraska)

Wie sieht das Rennen aus?
Theoretisch ist hier ein Außenseiter-Erfolg möglich, wenn sich überraschend viele Academy-Mitglieder für die alte Dame June Squibb erwärmen können oder einfach nicht genug von Jennifer Lawrence bekommen, so wie die Entscheidungsträger bei den Golden Globes, wo Lawrence gewann. Wahrscheinlich ist hier jedoch ein verdienter Sieg für die ergreifende, passionierte Leidensvorstellung von Lupita Nyongo'o, die sowohl von der Screen Actors Guild ausgezeichnet wurde als auch bei den "Critics Choice Awards" gewann.

Wer wird gewinnen? Lupita Nyongo'o für „12 Years a Slave“
 

BESTES ADAPTIERTES DREHBUCH

Wer ist nominiert?

Richard Linklater - "Before Midnight"
Billy Ray - "Captain Phillips"
John Ridley - "12 Years a Slave"
Terence Winter - "The Wolf of Wall Street"
Steve Coogan, Jeff Pope - "Philomena"

Wie sieht das Rennen aus?
Linklaters Nominierung bleibt wohl nicht mehr als eine kleine Verneigung vor der geschliffenen Dialogkunst seiner "Before..."-Trilogie. Coogan und Pope ebenso wie Billy Ray sind genau wie ihre Filme krasse Außenseiter. Es ist möglich, dass sich die Academy-Mitglieder von Terence Winters ausschweifendem Script beeindrucken lassen. Zu vermuten ist jedoch, dass es hier zu einem Favoriten-Siege kommt. Und der wäre auch berechtigt.  

Wer wird gewinnen? John Ridley für „12 Years a Slave“
 

BESTES ORIGINALDREHBUCH

Wer ist nominiert?

Eric Warren Singer, David O. Russell - "American Hustle"
Woody Allen - "Blue Jasmine"
Spike Jonze - "Her"
Bob Nelson - "Nebraska"
Craig Borten, Melisa Wallack - "Dallas Buyers Club"

Wie sieht das Rennen aus?
Da die beiden Hauptfavoriten um den besten Film beim Drehbuch praktischerweise nicht gegeneinander antreten und traditionell der "Verlierer" beim besten Film mit einem Drehbuch-Preis getröstet wird, müsste man hier eigentlich auf "American Hustle" tippen. Allerdings hatte der sowohl bei den Globes als auch bei den Critics Choice Awards das Nachsehen gegen Spike Jonzes herzerwärmend eigenwillige Liebesgeschichte zwischen einem Mann und seinem Computer-Betriebssystem. Und weil diese Geschichte einfach zu schön schräg ist, um sie nicht zu würdigen, ist hier auch bei uns der Wunsch Vater des Siegertipps.

Wer wird gewinnen? Spike Jonze für „Her“

 

Die Nominierten der anderen Kategorien (unser Sieger-Tipp ist fett gedruckt):

BESTER FREMDSPRACHIGER FILM
The Broken Circle (Belgien)
L'image manquante (Kambodscha)
Die Jagd (Dänemark)
La Grande Bellezza - Die große Schönheit (Italien)
Omar (Palästina)
 

BESTER ANIMATIONSFILM
Die Croods
Ich - Einfach unverbesserlich 2
Ernest & Célestine
Die Eiskönigin - Völlig unverfroren
Kaze tachinu

BESTE KAMERA
Gravity (Emmanuel Lubezki)
Inside Llewyn Davis (Bruno Delbonnel)
Nebraska (Phedon Papamichael)
Prisoners (Roger Deakins)
The Grandmaster (Philippe Le Sourd)


BESTE KOSTÜME
American Hustle
Der große Gatsby
12 Years a Slave
The Grandmaster
The Invisible Woman
 

BESTER SCHNITT
12 Years a Slave
American Hustle
Gravity
Captain Phillips
Dallas Buyers Club

BESTE MASKE
Dallas Buyers Club
Jackass: Bad Grandpa
Lone Ranger

BESTE FILMMUSIK
Die Bücherdiebin (John Williams)
Gravity (Steven Price)
Her (William Butler, Andy Koyama)
Saving Mr. Banks (Thomas Newman)
Philomena (Alexandre Desplat)

BESTER ORIGINAL-SONG
"Happy" aus "Ich - Einfach unverbesserlich 2"
"Let it go" aus "Die Eiskönigin - Völlig unverfroren"
"Ordinary Love" aus "Mandela: Der lange Weg zur Freiheit"
"The Moon Song" aus "Her"

BESTE AUSSTATTUNG
12 Years a Slave
American Hustle
Gravity
Der große Gatsby
Her

BESTER DOKUMENTARFILM
The Act of Killing
Cutie and the Boxer
Dirty Wars
The Square
20 Feet from Stardom

BESTE KURZDOKUMENTATION
Cavedigger
Facing Fear
Karama has no walls
The Lady in Number 6
Prison Terminal: The last days of Private Jack Hall

BESTER ANIMIERTER KURZFILM
Feral
Get a Horse!
Mr. Hublot
Tsukumo
Room on the Broom

BESTER KURZFILM
Aquel no era yo
Avant que de tout perdre
Helium
Pitääkö mun kaikki hoitaa?
The Voorman Problem

BESTER TONSCHNITT
All is Lost
Captain Phillips
Gravity
Der Hobbit - Smaugs Einöde
Lone Survivor

BESTER TON
Gravity
Der Hobbit - Smaugs Einöde
Captain Phillips
Inside Llewyn Davis
Lone Survivor

BESTE VISUELLE EFFEKTE
Gravity
Der Hobbit - Smaugs Einöde
Iron Man 3
Lone Ranger
Star Trek: Into Darkness

 


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