Gerade, als die ersten Nörgler und Bedenkenträger schon das Ende des 3D-Booms ausrufen wollten mit dem Postulat, dass dieser neue Effekt bereits verpufft sei und man damit ja nicht mehr wirklich Geld verdienen könne, wird der Gegenbeweis ausgerechnet von jener Truppe erbracht, die den vollkommen sinnfreien gröberen Unfug quasi zu einer eigenen Kunstform erhoben hat. Es ist fast genau zehn Jahre her, dass die "Jackass"-Gang um Johnny Knoxville das Licht des MTV-Fernsehschirms betrat und bei Pädagogen und Erziehungsberechtigten für blankes Entsetzen sorgte. Nach 26 Folgen mit den bescheuertsten, schmerzhaftesten, ekeligsten und oft auch witzigsten Selbstversuchen in der Geschichte des Bewegtbildes legte man 2002 und 2006 noch zwei Kinofilme nach. Damit schien das Kapitel "Jackass" dann aber auch erledigt. Bis jetzt. Denn nun schrieb die Chaos-Truppe mal eben noch ein Stückchen Filmgeschichte. Im traditionell extrem lahmen Oktober der amerikanischen Kino-Saison, in dem die Filmstudios meist die etwas verunglückte und/oder kaum vermarktbare Ausschussware ihrer Jahresproduktion auf die Leinwände bringen, da zwischen dem Ende der Sommerferien und dem Thanksgiving-Wochenende kaum ein Ami ins Kino geht, erzielte "Jackass 3D" an seinem Startwochenende ein unfassbares Einspiel von 50 Millionen Dollar. Der beste Oktober-Start der Geschichte. Und mal locker doppelt so viel als die beiden Vorgänger insgesamt geschafft haben, und für dieses enorme Plus kann es eigentlich keinen anderen Grund geben als die Übertragung der Jackass-Erfahrung in die dritte Dimension. Wobei sich der Film in dieser Hinsicht als relative Mogelpackung erweist. Gut 20 Prozent des Streifens sind ganz konventionell in 2D gedreht worden, bei weiteren gut 60 Prozent ist die 3D-Konvertierung so lausig bzw. die Tiefeneffekte für das Geschehen auf der Leinwand so unerheblich, dass man den Unterschied zu einem "normalen" Film kaum erkennen kann. Wer sich also eine Art zweite Jackass-Erleuchtung erhofft hat, da es den unglaublichen Unfug jetzt sogar in 3D gibt, könnte ein wenig enttäuscht sein, denn Knoxville und Konsorten ist dann leider doch nicht sehr viel Unsinn eingefallen, der erst durch 3D so richtig schon unsinnig wird. Eine mit Enddarmgasen aufgeblasene Party-Tröte, die sich scheinbar geradewegs ins Gesicht des Zuschauers entfaltet, ist da schon eines der "Highlights".
Somit gilt, dass "Jackass 3D" eigentlich nichts liefert, was einen Kinobesuch wirklich aufdrängt. Es sei denn, man ist ein alter Fan oder auch so grundsätzlich sicher, dass man über Menschen lachen kann, die freiwillig durch einen mit Elektroschockern gespickten Hindernisparcours laufen, sich von einem davonrasenden Lamborghini einen Zahn ausreißen lassen oder einen Schluck frisch gezapften Körperschweiß von ihrem fettleibigen Kollegen trinken. Dann steht der Kinobesuch natürlich überhaupt nicht in Frage. So bietet dieser Film auch dieselben einzigartigen Jackass-"Qualitäten", die schon vor zehn Jahren bei den einen (zumeist jungen und männlichen Zuschauern) für Begeisterungsstürme und Lachanfälle, bei den anderen für fassungsloses Kopfschütteln und ekelerregte Entrüstung gesorgt haben. Ähnlich wie in den wildesten Momenten von "Borat" und "Brüno" tendiert das Geschehen auf der Leinwand manchmal derart heftig gen absurd-abstoßend, dass man im ersten Moment nur ungläubig staunen kann - und dann entweder laut loslacht oder angewidert den Blick abwendet.
Entsprechend ist eine Bewertung dieses Films im gewohnten Sinne eigentlich gar nicht möglich, denn es gibt keinen Maßstab, an dem sich die Qualität dieses Werks ernsthaft messen lassen könnte. Es ist halt wie immer bei "Jackass": Eine Gruppe erwachsener, aber garantiert nicht reifer Herren verdingt sich in einer zusammenhanglosen Aneinanderkettung von "Stunts", Mutproben und Selbstversuchen, die entweder sehr schmerzhaft, sehr ekelig, sehr albern oder alles gleichzeitig sind. Eine gute Messlatte für die Widerlichkeit einer Jackass-Nummer ist es, wenn das Bild anfängt zu wackeln, weil selbst der Kameramann beim Drehen kotzen muss - von der durchgeknallten Testperson (bei den extrem ekligen Versuchen hier wie eh und je zumeist der unverwüstliche Steve-O) gar nicht erst zu sprechen. Und darüber kann man sich entweder königlich amüsieren, oder man erklärt alle Leute, die so etwas machen oder für witzig befinden, für komplett geisteskrank, wenn nicht sogar gemeingefährlich. Der Rezensent hat jedenfalls gelacht, und zwar viel, sich entsprechend gut amüsiert und gibt ergo eine positive Bewertung. Aber er weist hiermit auch jegliche Verantwortung von sich, sollte jemand aufgrund dieser Wertung ins Kino gehen und vollkommen entsetzt von dem sein, was es dort zu sehen gibt.
Die kontroversen Debatten über das Für und Wider, die Gefahren und Freuden von "Jackass" und was man davon zu halten hat (oder auch nicht) sind vor zehn Jahren in aller Ausführlichkeit geführt worden, und müssen daher hier nicht noch mal wiederholt werden. Damals fanden sich sogar ein paar besonders schlauscheißerische Feuilleton-Journalisten, welche die absolute Sinnfreiheit von "Jackass" in der Tradition des Dadaismus sahen und das ganze Format somit zu einem Kunstwerk erhoben. Was wiederum ebenfalls grandioser Unfug war. Chris Pontius fasst es nach der abschließenden Aktion des Films kurz und treffend zusammen, indem er den soeben gesehenen Höhepunkt resümiert: "It had danger, it had shit, it had puke. Everything this show is about." Gefahr, Scheiße und Kotze. Nicht mehr und nicht weniger. Wer glaubt, darüber lachen zu können: Viel Spaß im Kino! Wer das nicht kann, soll bitte nicht sagen, wir hätten ihn nicht gewarnt.
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