"Shakespeare in Love" minus Shakespeare persönlich, aber mit jeder Menge moderner Identitätsproblematik. So könnte man "Stage Beauty" auf den Punkt bringen, so wie der Film selbst (freilich mit einigen künstlerischen Freiheiten) die britische Theaterszene Mitte des 17. Jahrhunderts auf die Leinwand bringt. Die Bühne ist für Edward "Ned" Kynaston (Billy Crudup) Schauplatz seiner größten Erfolge - allerdings in Frauenkleidern. Denn durch königlichen Erlass ist es nur Männern erlaubt, Theater zu spielen. Kynaston ist der beste Mann für die Rolle der Frau und seine Darstellung der Desdemona aus Shakespeares "Othello" berührt und bezaubert sein Publikum. Bewundert wird er ebenfalls von seiner Garderobiere Maria (Claire Danes), die neben romantischen Gefühlen aber auch aus professionellem Interesse jede seine femininen Bühnengesten verfolgt. Denn Maria möchte heimlich selbst Schauspielerin sein und ‚leiht' sich abends Kynastons Bühnenkleider, um in einer schäbigen Kneipe selbst die Desdemona zu geben. Als der König Charles II. (Rupert Everett) von der sensationellen Neuigkeit hört, eine Frau auf der Bühne würde auch von einer Frau gespielt, ist der von klassischem Theater gelangweilte Herrscher hoch interessiert, auch aufgrund der kleinen proto-feministischen Denkanstöße seiner Mätresse Nell (Zoë Tapper). Ned wiederum will von Frauen als Darstellern nichts wissen - und muss doch bald um seinen Job bangen. Denn plötzlich sind Frauen auf der Bühne erlaubt, und Kynaston in einer schweren Krise - beruflich und persönlich. Er, der auch in Liebesangelegenheiten nur seine weibliche Seite kennt, muss plötzlich hier wie dort seinen Mann stehen - und die ihm eigentlich treu ergebene Maria wird auf der Bühne zur Rivalin…. Die Fragen, die "Stage Beauty" im Rahmen seiner Geschichte anstößt, sind dabei allerdings eher dem 20. denn dem 17. Jahrhundert zuzuordnen. Aufgelöste Geschlechteridentität, auch und gerade in sexueller Hinsicht, sind eindeutig ein Thema der letzten Jahre, man verweise da nur auf das Mode-Unwort "metrosexuell". Und durch diesen Kontrast ist "Stage Beauty" zwar unterhaltsam, gleichzeitig aber auch ein wenig unglaubwürdig. Was "Stage Beauty" trotz dem etwas holprigen Mix aus Alt und Neu ebenfalls zu einem sehenswerten Film macht, ist die Leistung von Billy Crudup. Seit er sich vor vier Jahren mit Superleistungen in den genialen "Almost Famous" und "Jesus' Son" ins Rampenlicht spielte, hat man leider nicht viel von ihm gesehen, und dort wo man ihn sah, durften Skript-bedingt andere glänzen ("Big Fish"). Das kann aber nicht verhehlen, dass Crudup ein wirklich exzellenter, dabei sträflich unterbewerteter Darsteller ist, der auch mal einen Film alleine tragen kann. Und das tut er hier - und muss es auch. Nicht vergessen werden sollen bei einem Kostümdrama wie diesem natürlich auch die hervorragenden Sets und Kostüme, die mehr als einen Hauch von 1660 versprühen. Und daher mag der Film zwar bisweilen so zwiegespalten wie sein Hauptdarsteller sein, er ist aber auch ein unterhaltsamer, intelligenter Blick auf eine wenig bekannte, aber markante Zeit der Theatergeschichte. Demnach ist "Stage Beauty" vielleicht keine vollendete Schönheit, aber doch so anregend, dass man ihr gerne zwei Stunden auf der Leinwand schenkt. |
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