Broadway-Melodie 1936

MOH (61): 8. Oscars 1936 - "Broadway-Melodie 1936"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 25. Juni 2024

Was einmal funktioniert hat, wird bestimmt nochmal klappen. Diese altbekannte Hollywood-Prämisse haben wir schon in der letzten Folge beim zweiten Auftritt des Leinwandduos Ginger Rogers und Fred Astaire in “Ich tanz' mich in dein Herz hinein“ beobachten dürfen. Ebenfalls auf vertrautes Terrain treffen wir heute in “Broadway-Melodie 1936“, der Fortsetzung des Oscar-Gewinners “The Broadway Melody“ aus dem Jahr 1929.

Broadway-Melodie 1936

Originaltitel
Broadway Melody of 1936
Land
Jahr
1935
Laufzeit
101 min
Genre
Regie
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
8
8/10

Zugegeben, ein klein wenig unfair ist der Vergleich zwischen “Broadway-Melodie 1936“ und seinem Vorgänger natürlich schon. “The Broadway Melody“, Sieger des Oscars für den besten Film bei der Verleihung im Jahr 1930, stand als einer der ersten größeren Tonfilme einst natürlich vor einigen technischen Herausforderungen und leistete damals sozusagen Pionierarbeit. Sechs Jahre später hatte sich Hollywood in Sachen Tontechnik aber schon sehr gut eingegroovt und auch die einst noch damit verbundenen starren Kameraeinstellungen gehörten inzwischen der Vergangenheit an – wie man zum Beispiel gut an den großartig choreographierten Musical-Nummern von Busby Berkeley (“Die 42. Straße“) sehen konnte. Auf all diese Erfahrungen konnte “Broadway-Melodie 1936“ nun also zurückgreifen und so ist das Ergebnis am Ende dann auch in allen Bereichen dem Vorgängerfilm überlegen. Das liegt aber nicht nur an den einfallsreichen und wundervoll inszenierten Stepptanzeinlagen, sondern auch einer wirklich charmanten Portion Humor.

Ähnlich wie “The Broadway Melody“ setzt auch “Broadway-Melodie 1936“ auf ein eher schmales Handlungsgerüst rund um das Casting und die Inszenierung einer Bühnenshow. Diesmal möchte Produzent Robert Gordon (Robert Taylor) eine neue Broadway-Show auf die Bühne bringen, leidet aber hierfür unter akuter Geldarmut. Abhilfe könnte da die vermögende Witwe Lillian Brent (June Knight) leisten, doch diese verlangt im Gegenzug selbst die Hauptrolle der Show übernehmen zu dürfen. Deutlich talentierter für den Job wäre allerdings Roberts ehemalige Klassenkameradin Irene Foster (Eleanor Powell), die ihren einstigen Highschool-Schwarm bei ihrem Besuch in New York von ihren Fähigkeiten überzeugen will. Während sie in dessen schnippischer Sekretärin Kitty (Una Merkel) schnell eine Verbündete für ihr Vorhaben findet, erkennt der Klatschreporter Bert Keeler (Jack Benny, “The Hollywood Revue of 1929“) in all diesem Trubel die Chance auf ein paar auflagensteigernde Schlagzeilen.
 


“Broadway-Melodie 1936“ ist so etwas wie das erste Sequel in der Geschichte Hollywoods, das bei einer Oscar-Verleihung in der Kategorie “Bester Film“ nominiert wurde. Abgesehen von dem Namen, einer ähnlich gelagerten Handlung und einer kleinen musikalischen Anspielung gibt es aber keine wirklichen Verbindungen zum Vorgängerfilm. Stattdessen gibt es neue Figuren, eine komplett neue Cast und mit Roy Del Ruth ebenfalls einen neuen Regisseur. Glücklicherweise resultieren diese Änderungen aber auch in einer ganz anderen und viel besseren Qualität des Filmes. Am deutlichsten zeigt sich das bei den Tanzdarbietungen, von denen jede einzelne wirklich mit viel Kreativität und Hingabe inszeniert und choreographiert ist.

So wird gleich zu Beginn bei “Got A Feelin You're Fooling“ die Terrasse eines Nachtklubs für eine äußerst schwungvolle Tanznummer genutzt, unterfüttert von kleinen und clever umgesetzten Spielereien in Sachen Schnitttechnik und Requisiten. Als Publikum bekommt man dann selbst auch ein “Feeling“, nämlich das Gefühl, dass dies hier ein ziemlich launiger Filmabend werden könnte. Vorausgesetzt natürlich diese Art der Unterhaltung liegt einem, was man am Besten dadurch herausfinden kann, dass man sich die Nummer einfach jetzt hier mal kurz anschaut.


“Got A Feelin You're Fooling“

So ist es die größte Stärke von “Broadway-Melodie 1936“, dass man sich für jede seiner Musical-Nummern etwas einfallen lässt und sich dabei eben nicht nur auf die Performance der Künstler, tolle Kostüme und nette Choreographien verlässt. Immer wieder nutzt man gezielt die Fähigkeiten des Medium Films und baute nette kleine visuelle Tricks ein, wie zum Beispiel den Einsatz von sogenannter Rear-Projection oder Bildüberlagerungen. Hier darf sich Regisseur Roy Del Ruth ein Extra-Lob abholen, denn es ist einfach schön zu sehen, dass er hier viel mehr will als die Bühnennummern einfach nur abzufilmen. Was jetzt aber nicht heißt, dass wir nicht auch noch den Choreographen Dave Gould für seine Leistung loben wollen. Der gewann damals für den Film den Oscar in der gerade eingeführten und sehr kurzlebigen Kategorie “Beste Tanzregie“, die nur zwischen 1936 und 1938 zum Einsatz kam (er teilte sich diesen allerdings mit LeRoy Prinz und dem Film “Folies Bergère de Paris“).

Das man aus den zahlreichen Musicals der Vorjahre seine Lehren gezogen hat zeigt sich auch an der Tatsache, dass man hier nun vor allem den Stepptanz in den Vordergrund stellt. Schließlich hatte der Erfolg von Ginger Rogers und Fred Astaire die Lust des Publikums auf diese Art des Musicals eindeutig zu Tage gefördert. Statt einem Duo wird mit Eleanor Powell hier zwar nur eine einzelne Künstlerin in den Mittelpunkt gestellt, deren Tanztalent ist aber nicht minder beeindruckend. Es macht schon einfach Spaß deren Feuerwerk an Tanzschritten zuzuschauen und man möchte gar nicht wissen wieviele Jahre hartes Training in so einer Performance stecken.
 


Doch “Broadway-Melodie 1936“ bietet glücklicherweise mehr als nur überzeugende Tanzeinlagen. So simpel und klischeehaft die Haupthandlung auch daherkommt, wenn das Figurenkarussell einmal etabliert ist kommt der Film vor allem dank einiger wirklich gelungener Gags gut in Fahrt. Zugegeben, hier und da feuert man auch mal daneben, wie bei einem eher irritierenden Running Gag rund um einen Künstler, der versucht mit Interpretationen unterschiedlicher Schnarchtechniken die Aufmerksamkeit von Robert zu gewinnen. Meist aber gibt es genügende Gründe zum Grinsen, vor allem, da die meisten Nebenfiguren doch richtig gut funktionieren. Klatschreporter Bert Keeler entwickelt sich zusammen mit seinem etwas tölpelhaften Assistenten von einer anfangs etwas aufgesetzt cool wirkenden Randfigur zu einem verlässlichen Gaglieferanten – vor allem immer dann, wenn Robert mal wieder wutentbrannt in sein Büro stürmt. Noch besser ist allerdings Una Merkel als Roberts schnippische Sekräterin Kitty, die ihre oft witzigen Dialogzeilen mit perfektem Timing und charmantem Sarkasmus rüberbringt. 

An der Stelle muss ich dann auch mal eine interessante Randbeobachtung loswerden. Hin und wieder trifft man in “Broadway-Melodie 1936“ nämlich auf ein paar Anspielungen auf anderer berühmter Stars aus der Zeit, die am heutigen Publikum natürlich zum Großteil unbemerkt vorübergehen werden. Nicht aber wenn man (inzwischen) ein klein wenig mit der Zeit vertraut ist und so ertappt sich der Rezensent zum eigenen Erstaunen auf einmal dabei, dass er über Sätze wie “Du bist so feminin wie Wallace Beery“ grinsen muss. Keine Sorge, auch ohne Vorwissen über die 1930er Jahre oder die Filme von Wallace Beery (“Schrei der Gehetzten“, “Der Champ“) ist “Broadway-Melodie 1936“ ziemlich unterhaltsam, aber ein klein wenig geht natürlich durch den mangelnden Kontext hier schon verloren.   
 


Klingt bisher ja alles nach einem richtig tollen Film. Nun, eine große Schwachstelle hat “Broadway-Melodie 1936“ dann leider doch. Ausgerechnet die beiden Hauptdarsteller Robert Taylor und Eleanor Powell stechen in Sachen Charisma nämlich leider nur bedingt heraus und gerade Taylor wirkt sehr austauschbar. So ist dann auch nie wirklich eine große Chemie zwischen beiden zu spüren. Das ist gerade im großen Finale schade, das zwar wieder mit einer toll umgesetzten Tanzsequenz aufwartet, die aber deutlich mitreißender ausfallen würde, wenn da sowas wie echte Zuneigung zwischen unseren Protagonisten zu spüren wäre. Und der etwas abrupt wirkende Schluss des Filmes hilft hier jetzt auch nicht gerade. So fehlt dem Film einfach ein so richtig überzeugendes Herz im Zentrum seiner Geschichte.

Es ist also nur noch ein weiteres Kompliment für die gelungene Leistung der Nebendarstellerinnen und Nebendarsteller, sowie die tolle Umsetzung der Tanzdarbietungen, dass “Broadway-Melodie 1936“ trotz dieser großen Schwachstelle immer noch so unterhaltsam ausfällt. Aber es ist halt trotzdem auch ein wenig schade, denn mit einem charismatischen Leinwandpaar à la Fred Astaire und Ginger Rogers wäre hier vermutlich ganz großes Kino möglich gewesen. Das Studio Metro-Goldwyn-Mayer war trotzdem natürlich ziemlich happy mit dem Ergebnis und so sollten mit “Broadway-Melodie 1938“ und “Broadway-Melodie 1940“ (letztere sogar tatsächlich mit Fred Astaire in der Hauptrolle) noch zwei weitere Fortsetzungen folgen. Eine Oscar-Nominierung für den besten Film blieb diesen Werken allerdings verwehrt und so müssen wir uns (zumindest im Rahmen dieser Reihe) von dieser kleinen Filmserie hiermit dann auch verabschieden.

"Broadway-Melodie 1936" ist aktuell als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar. 

 


Trailer des Films


Die große Abschlussnummer des Films


Ausblick
In unserer nächsten Folge werden die Segel gesetzt und die Messer gewetzt – die Piraten kommen.

 

Bilder: Copyright

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