Baltimore im Jahre 1962: Die "Corny Collins Show" ist der Mega-Hit. Mädchen wie Tracy Turnblad (Nikki Blonsky) und Penny Pingleton (Amanda Bynes) rennen nach Schulschluss vor die Glotze und tanzen "gemeinsam" mit ihren Stars, allen voran dem smarten Link Larkin (Zac Efron). Natürlich verfolgen sie den gleichen Traum wie heutzutage zigtausende DSDS-Jünger: einmal mit dabei sein. Doch speziell Tracy steht dabei vor einem im wortwörtlichen Sinne massiven Problem, das sie gleich beim ersten Probe-Auftritt spektakulär scheitern lässt: ihrer Figur. Denn die ist nicht TV-geeignet. Wobei die Einzige, die sich wirklich daran stört, Velma Von Tussle (Michelle Pfeiffer) ist - und die hat eben dummerweise das Sagen. Doch dann folgt Tracys großer Auftritt auf einem Schulball. Sie beeindruckt Showmaster Corny Collins (James Marsden) und schafft es nun doch in seine Show, mit der Unterstützung ihrer Eltern (Christopher Walken und John Travolta, letzterer im herrlichen Fatsuit als Mutter) im Rücken. Und diese hat sie auch bitter nötig, denn wer sie da schnellstmöglich wieder heraus haben möchte, liegt auf der Hand.
Das Wichtigste zuerst: Ja, richtig gelesen; John Travolta schmeißt sich einen 15-Kilo-Anzug über und schlüpft - bis zur Unkenntlichkeit entstellt - in die Rolle der molligen Mutter von Tracy. Der wesentliche Unterschied beispielsweise zu Martin Lawrence als "Big Mama" ist allerdings der, dass hier nicht auf den billigen Gag geschielt wird, sondern einfach eine gehörige Portion Tradition mit reinspielt: "Hairspray" basiert sowohl auf dem John Waters-Film von 1988, als auch dem Broadway-Musical von 2002 - und verkörpert wurde die Mutter von Tracy in beiden Fällen von einem Mann. Ein wenig Überzeugungsarbeit war zwar von Nöten, um Travolta für dieses Projekt zu gewinnen (zuvor lehnte er u.a. die Hauptrolle in "Chicago" ab), doch letzten Endes ist er also doch wieder ins Musical-Genre zurückgekehrt, das ihn einst mit "Saturday Night Fever" und "Grease" zum Star machte.
Der andere Glücksfall für das "Hairspray" von 2007 entspringt ebenfalls einer Tradition, absolviert ihr Kino-Debüt und heißt Nikki Blonsky. Eine Unbekannte in der Hauptrolle - so war es bislang und so bleibt es auch weiterhin. Manch einem wird ihre gewaltige Spielfreude mit der Zeit fast auf die Nerven gehen (für die ist eine Gute-Laune-Produktion wie diese aber eh die falsche Wahl); dass sie über jede Menge Ausstrahlung verfügt, ist aber nicht zu leugnen.
Schwungvoll tanzt und singt sie sich durch den Film, mit im Gepäck nicht nur einen John Travolta, sondern weitere Stars wie Christopher Walken und auch mal wieder Michelle Pfeiffer. Diese spielt einfach herrlich als intrigante, bösartige Sender-Chefin, die man einfach hassen muss. Christopher Walkens Daddy steht tagsüber im Scherzartikel-Laden, aus dem bald ein Tracy-Fanartikel-Shop wird. Die stärkste Szene des Films gehört ihm und Travolta. Wenn diese beiden schauspielerischen Schwergewichte aufeinander prallen, jeweils in Rollen, in denen man sie zweifelsohne eher selten sieht, geht auf der Leinwand so richtig die Post ab.
Die eigentliche Story ist nicht wahnsinnig wichtig. Toleranz und Familie sind die Schlagworte und Werte, die hier verteidigt werden, wenn Tracy zusammen mit ihren neuen afro-amerikanischen Freunden zur Bürgerrechts-Aktivistin avanciert. Das Happy End steht von der ersten Minute an außer Frage. Entscheidend ist die Musik und die ist gut. Da gibt es fröhliche Stücke, etwas nachdenklichere und in jedem Fall jene, deren Melodie einem auch Wochen danach nicht aus dem Kopf gehen werden. Das Ganze ist hübsch choreographiert und inszeniert, was ein wenig überrascht, da sich Regisseur Adam Shankman mit Komödien wie "Im Dutzend billiger 2", "Der Babynator" oder "Wedding Planner" beim qualitätsbewussten Publikum bislang wohl kaum einen Namen gemacht hat. Für Shankman ist "Hairspray" somit zweifelsfrei das Karriere-Highlight, wenn auch vielleicht nicht aus kommerzieller Sicht. Erwähnenswert ist auch der 60er-Jahre-Look, der sich sehen lassen kann, beginnend bei den lächerlichen Frisuren bis hin zu Ausstattung und Requisite.
Auch wenn es seine Liebhaber nur eher selten mit Nachschub versorgt, geht es dem Musical-Genre doch eigentlich gar nicht so schlecht. Nach der Renaissance mit "Moulin Rouge" und "Chicago" Anfang des Jahrtausends erwiesen sich jüngst "Happy Feet" als Animations-Auswuchs und die Broadway-Adaption "Dreamgirls" als gelungene Vertreter. Wer im Kino gerne mal mit den Füßen wippt, bekommt nun also in "Hairspray" erneut ausgiebig Gelegenheit dazu. Viel mehr als das Prädikat "nett" verdient sich dieser luftig-leichte Spaß zwar nicht, aber gute Unterhaltung bietet er auf jeden Fall.
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