Es schweigert wieder mächtig in Deutschland. Nachdem der Bundesrepubliks berühmtester Leinwand-Star sich in den letzten Jahren hierzulande etwas rar gemacht hat und sich lieber in mehr oder weniger wichtigen Nebenrollen in mehr oder weniger gelungenen amerikanischen Großproduktionen verdingte ("Tomb Raider 2", "King Arthur", "Driven"), ist es nun mal wieder an der Zeit, die wahre Dominanz des heimischen Marktes unter Beweis zu stellen. Nach seiner nur bedingt geglückten Tarantino-Hommage "Der Eisbär" (1998) setzte sich uns Til nun zum zweiten Mal auf den Regiestuhl, und stampfte in klassischer "Ich mach alles bei diesem Film"-Manier sein ganz persönliches Baby aus dem Boden. Als Hauptdarsteller/Regisseur/Co-Autor/Produzent/Co-Cutter von "Barfuß" gab der schöne Schweiger in der Tat keine Sekunde dieses Films aus seiner Hand. Man muss ihm zumindest zugestehen, dass das eine beeindruckende Arbeitsleistung ist. Ein beeindruckender Film ist dabei trotzdem nicht raus gekommen.
Schweiger spielt Nick Keller, einen typischen Fall von gescheiterter Existenz. Eigentlich mit schwerreichem Elternhaus versehen, hat sich Nick irgendwie sowohl mit seinen Anverwandten als auch mit allen anderen Leuten überworfen und lebt als komplett verantwortungs- und bindungsunfähiger Loser von Job zu Job und One-Night-Stand zu One-Night-Stand. Auch seine Anstellung als Wischmob-Schwinger in einer psychiatrischen Klinik ist Nick nach Rekordzeit wieder los, war aber immerhin lang genug da, um die geistig verstörte Leila (Johanna Wokalek) von einem Selbstmordversuch abzuhalten. Die fixiert sich als Dankeschön komplett auf ihren Retter, schleicht sich hinter ihm aus der Klinik heraus, folgt ihm bis nach Hause - und weigert sich von nun an, ihn wieder allein zu lassen, geschweige denn ins Krankenhaus zurückzukehren. Und so bleibt Nick anscheinend gar nichts anderes übrig, als das komplett weltfremde Mädchen (Leila wurde von ihrer Mutter bis zu deren Tod nicht aus dem Haus gelassen und kam anschließend direkt in die Klapse) unter seine Fittiche und mit auf die Reise zur Hochzeit seines Bruders zu nehmen.
Warum dem guten Nick anscheinend gar nichts anderes übrig bleibt, ist einfach zu erklären: Weil wir sonst keinen Film hätten. "Barfuß" gehört zu den weniger glücklichen Exemplaren des Romantische-Komödien-Genres, die ihre Grundprämisse leider nur zustande bringen, indem sie die grundsätzlichen Charaktereigenschaften ihres Protagonisten zumindest kurzzeitig komplett außer acht lassen. Warum der sich vor jeder Form von Verantwortung drückende Nick so widerstandslos ausgerechnet in die Rolle als Beschützer einer kindlich naiven, von Anfällen geplagten, notorischen Barfuß-Läuferin aus dem Irrenhaus drängen lässt, ist in sich vollkommen hanebüchen und an den Haaren herbei gezogen. Weshalb sich der Film im Anschluss auch reichlich schwer tut, die nötige Überzeugungskraft bei der Entwicklung der etwas anderen Romanze zwischen Nick und Leila aufzubringen.
Nicht so richtig überzeugend ist auch der gesamte Verlauf des Films, denn nach der Exposition verwandelt sich "Barfuß" erst einmal in ein halbgares Roadmovie, während sich Nick und Leila auf etwas abenteuerliche Weise von München bis nach Hamburg (zur Hochzeit des Bruders) durchschlagen. Ohne sich wirklich um die sinngebenden Konventionen eines Roadmovie zu scheren, dient diese Phase primär zur Aneinanderreihung einiger lustig gemeinter, aber nur bedingt zündender Sequenzen ohne großen Zusammenhang. Tatsächlich scheinen einige Szenen nicht viel mehr Sinn zu haben als Platz für noch einen prominenten Gaststar zu machen: Unter anderem tauchen im Verlauf von "Barfuß" Jürgen Vogel, Armin Rohde, Axel Stein, Markus Maria Profitlich, Mark Keller, Michael Gwisdek und Tyron Ricketts auf in Parts, die aus kaum mehr als drei Dialogsätzen und einer halben Minute Leinwandpräsenz bestehen. Was sich als komplett kontraproduktiv erweist, denn jede dieser Szenen hat es einzig auf den "Guck mal, den kenn ich"-Faktor abgesehen, ohne wirklich etwas erzählen zu wollen. Und ein Film, der augenscheinlich eine durchaus ernst gemeinte Geschichte unters Volk bringen will, steht sich mit solch einem Cameo-Dauerlauf nur selbst im Weg.
Woran es "Barfuß" vor allem mangelt, sind frische, gute Ideen. Bedenkt man, dass hier allein fünf Drehbuchautoren als offizielle Kollaborateure aufgeführt werden, ist es schon fast erschreckend, wie wenig der ganzen Mannschaft eingefallen ist. Bestes Beispiel: Leilas Naivität (da sie noch nie echten Kontakt mit der Außenwelt hatte) wird für viele Gagversuche genutzt, indem man mit ihrer Ahnungslosigkeit hausieren geht. Das ist - vor allem dank der hervorragend agierenden Johanna Wokalek (beinahe der einzige No-Name auf der gesamten Besetzungsliste) - immer ganz nett anzusehen, aber nie wirklich komisch, weil die Witze viel zu offensichtlich daher kommen. Wenn sich Leila beispielsweise in einer Szene auf den Straßenstrich verirrt und ein Freier von ihr verlangt, sie solle ihm einen blasen - dann pustet sie für ihn in die Luft. Ähnlich vorhersehbar verläuft so ziemlich jede Szene des gesamten Films, zu keinem Zeitpunkt kann "Barfuß" seine Zuschauer wirklich überraschen. Was dann letztlich in einem komplett das Tempo verlierenden Schlussdrittel mündet, das die ganze Sache in den gängigen Mustern nach Hause schaukelt. Unspannend.
Dass man sich "Barfuß" immer noch ganz gut angucken kann, ist vornehmlich Kameramann Christof Wahl anzurechnen, der mit beizeiten anrührenden und wirklich bezaubernden Bildern eine beeindruckende Qualität erreicht, welcher der Rest des Films nur lahm hinterher hinkt. Zu Schweigers Ehrenrettung kann man zumindest anmerken, dass er als Regisseur eindeutig besser ist denn als Autor oder Darsteller - seine Inszenierung trägt zwar keinen eigenen Stil, aber zumindest hat er sich bei den wahren Könnern ordentlich abgeschaut, wie man's macht.
Eine Sache, die übrigens überdeutlich ins Auge fällt, ist die nicht nachzuvollziehende Anstrengung, den Film möglichst undeutsch aussehen zu lassen. Da läuft in einer Szene ein ganzer Haufen Polizisten auf, und alle tragen nichtssagende (und vor allem komplett unauthentische) schwarze Uniformen. Und die Autos, die man hier fährt, sind ausnahmslos von anglo-amerikanischen Herstellern. Da fragt man sich dann doch irgendwie: Was soll das? Das Touchstone Pictures-Logo lässt erahnen, dass Herr Schweiger seinen Film zumindest zum Teil mit amerikanischem Geld gedreht hat und entsprechend wohl auch auf einen Start jenseits des Atlantiks hofft (schließlich hat er sich doch soviel Mühe mit seinen beeindruckenden Hollywood-Rollen gegeben). Muss man sich aber deshalb gleich in dieser Weise anbiedern und soweit als möglich verstecken, wo der Film eigentlich herkommt? Hat Herr Schweiger tatsächlich geglaubt, er kommt einem potentiellen amerikanischen Publikum damit näher? Ist das nicht irgendwie peinlich?
Was soll's. Letztlich ist "Barfuß" bei weitem nicht beeindruckend genug, als dass man sich wirklich Gedanken über Motivation und Absichten seines kreativen Kopfes machen muss. Der Film ist kaum mehr als eine gut gemeinte, aber nur mittelmäßig umgesetzte romantische Komödie, die zu keinem Zeitpunkt richtig überzeugen kann. Das eigentlich Traurige an "Barfuß" ist die Tatsache, dass einzig ein nur bedingt talentierter Mensch wie Til Schweiger hierzulande in der Lage ist, massig Produktionsgelder aus namhaften deutschen und amerikanischen Quellen zu beziehen. Man stelle sich nur mal vor was für ein toller Film heraus gekommen wäre, wenn solche Mittel jemandem zur Verfügung ständen der es wirklich drauf hat.
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