"Blueprint" ist, wenn man es genau nimmt, ein Science-Fiction-Film, und gehört somit eigentlich zu einem Genre, das gemeinhin mit hohem Produktionsaufwand und vielen Spezialeffekten assoziiert wird, kurz: etwas, für das es in der deutschen Filmlandschaft entschieden an Geld mangelt. Doch Science Fiction muss nicht immer etwas mit Raumschiffen, fernen Galaxien und außerirdischen Wesen zu tun haben, denn korrekt übersetzt handelt es sich hier schließlich nur um "wissenschaftliche Fiktion". Und so langen "Blueprint" für die Qualifikation ins SciFi-Genre ein paar eingestreute Jahresdaten aus der näheren Zukunft hier und da, hübsch aussehende Bildtelefone als primäres Kommunikationsinstrument und ein kontroverses Thema, das bald zu einem handfesten Problem werden dürfte, aber es noch nicht ist: das Klonen eines Menschen.
Regisseur Rolf Schübel und Romanautorin Charlotte Kerner, die die Vorlage zu diesem Film schrieb, geht es dabei weniger um eine ethische Auseinandersetzung mit dem sehr umstrittenen Thema (wobei die seit der Entwicklung der Atombombe historische Entschuldigung der Wissenschaft "Was gemacht werden kann, wird früher oder später auch gemacht werden, also warum nicht von uns" natürlich trotzdem angeführt wird). Viel mehr dient das Klonen hier als Aufhänger für eine Geschichte über Eigenliebe, Musik, und einen etwas komplizierteren Selbstfindungsprozess:
Es ist die weltbekannte Pianistin Iris Sellin (Franka Potente), die sich nach einem ihrer Konzerte dem brillanten Mediziner Dr. Martin Fisher (Ulrich Thomsen) anvertraut und ihm eröffnet, dass sie an Multiple Sklerose erkrankt ist. Da sie ihr gesamtes Leben der Musik gewidmet hat, ist Iris ehe- und kinderlos, möchte das aber nicht bleiben: Um ihre einmalige Begabung für die Nachwelt zu retten, erzeugt Iris mit Fishers Hilfe einen Klon von sich selbst, den sie anschließend als ihr eigenes Kind austrägt. Neun Monate später wird Siri Sellin geboren, die zunächst - von ihrer Mutter bestens behütet und gefördert - erwartungsgemäß zu einem musikalischen Wunderkind heranwächst. Doch die Wahrheit über Siris Herkunft wird sich nicht ewig verbergen lassen.
In Flashbacks erzählt "Blueprint" von Geburt und Kindheit Siris, während diese in der eigentlichen Rahmenhandlung als erwachsene Frau (ebenfalls Franka Potente) zurückgezogen irgendwo im Nirgendwo Kanadas lebt und dort nur langsam durch die Bekanntschaft mit dem einheimischen Greg Lukas (Hilmir Snaer Gudnason) lernt, sich wieder einem anderen Menschen zu öffnen. Und gerade in dieser Situation erhält sie eine Nachricht von ihrer im Sterben liegenden Mutter, die sie inständig um Vergebung und die Rückkehr nach Hause bittet.
"Blueprint" ist zunächst vor allem eins, nämlich sperrig. Das erzählerische Hin und Her zwischen Siris Kindheit und ihrem Erwachsenenleben mag kein echtes Gleichgewicht erzeugen, da die Flashbacks wesentlich bedeutsamer und darum auch extensiver sind, während die zart knospende Beziehung in den Wäldern Kanadas nicht mehr als ein standardisiertes, eigentlich überflüssiges Plotelement ist und sich auch so anfühlt. Nicht weniger sperrig sind die eigentlichen Themen der Geschichte: Siris fortlaufende Verzweiflung um die Frage, ob sie mehr ist als nur eine Kopie, eine Blaupause ihrer Mutter (daher auch der Titel), und die einhergehenden Zweifel an der eigenen Identität sind sicherlich ein hervorragendes Thema für ein Buch, in derart introspektiver Ausprägung aber nur bedingt als Filmstoff geeignet. Hinzu kommt die Motivation von Iris für das eigene Klonen, die sich zu gleichen Teilen aus purer Egomanie und der bedingungslosen Liebe zur Musik zusammensetzt. So dumm das auch zunächst klingen mag: Iris' Ansicht, dass ihr musikalisches Talent zu groß und zu wertvoll sei, um mit ihr von dieser Erde zu verschwinden, hat eine wahre und ehrliche Note, und die vielleicht größte Leistung des sehr virtuos und kunstvoll inszenierenden Regisseurs Rolf Schübel besteht darin, die unermessliche Begeisterung und Leidenschaft Iris' für ihre Musik einzufangen und erlebbar zu machen.
Ebenfalls bemerkenswert ist die Leistung von Franka Potente, die eigentlich bereits erfolgreich nach Hollywood gewechselt ist und die gelegentlichen Heimreisen wohl nun für etwas komplexere Projekte nutzt, wie sie sie in den USA nicht angeboten bekommt. Wobei sie hier zwei derart ausgeprägt unterschiedliche Rollen spielt, dass sie fast schon logisch zwei unterschiedliche Leistungsbewertungen erhalten muss. In der Tat gelingt ihr die Rolle der Mutter Iris weitaus besser als der etwas bockige Teenager Siri, ihre Vorstellung in der älteren Rolle ist schlichtweg beeindruckend. Dank Kostüm und Maske streckenweise schon fast an die große Hannelore Elsner erinnernd, meistert Potente die Gratwanderung zwischen äußerlicher Kontenance und innerer Aufwühlung brillant, vor allem in den Szenen zwischen Mutter und Tochter, in denen sie natürlich beiderseitig praktisch ins Nichts spielte. Wenn sie mit "Blueprint" eine darstellerische Herausforderung gesucht hat, dann hat sie diese nicht nur gefunden, sondern auch bravourös gemeistert.
Aber weder die gelungene Regie noch die Star-Power einer superb aufspielenden Franka Potente helfen "Blueprint" gegen seine inhärenten Schwächen, die denn auch an einem beachtlichen Publikumserfolg zweifeln lassen. Diese betreffen nicht nur die schwer greifbare Thematik des Films, sondern auch sein Scheitern in den meisten Aspekten einer konventionellen Erzählung. So bleiben beinahe alle zwischenmenschlichen Beziehungen - abgesehen von der zwischen Mutter und Tochter - seltsam steril, als würden die nötigen Gefühle zwar im Drehbuch stehen aber es nicht auf die Leinwand schaffen. Wesentlich kritischer jedoch: das Fehlen einer klaren dramaturgischen Linie. So interessant und gut umgesetzt die Geschichte von Siris Heranwachsen und ihrer schließlichen Rebellion auch ist, sie braucht etwas lange um in Schwung zu kommen, dazu will sich ein sinnvoller Abschluss nicht so recht anbieten, und so kommt man nicht umhin, das Ende des Films dann als ein wenig beliebig und kaum überzeugend zu betrachten.
Was schlussendlich wieder die Frage nach der sinnvollen oder gelungenen Buchadaption aufwirft, denn in der erzählerisch weitaus freieren Romanform - ohne die dramaturgischen Zwänge einer Filmhandlung - ist "Blueprint" sicherlich ein beeindruckenderes Erlebnis. Als Film ist "Blueprint" ein wenig übermannt von der Tiefe seiner Geschichte und tut sich schwer damit, dem Selbstfindungskampf Siris und der zentralen Frage nach der Identität eines Klons gerecht zu werden. Ein anspruchsvolles Projekt, das nicht ganz erreicht, was es leisten möchte. Dem aber nichtsdestotrotz viel Glück zu wünschen ist beim Kampf ums Publikum, denn der wird nicht einfach werden.
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