Die Anonymität des Internets ist sehr reizvoll - kann aber auch sehr gefährlich werden, da sich hinter jeder Internet-Bekanntschaft ein Psychopath und/oder Mörder verstecken kann. Zumindest, wenn man dem nicht gerade geringen Ausstoß an reißerischen TV-Filmen glaubt, die zum Thema Online-Bekanntschaften eigentlich nur verrucht-paranoide Thriller anzubieten haben. Nun bedient sich auch erstmals eine Hollywood-Produktion mit äußerst namhafter Besetzung dieses Aufhängers, und auch wenn man hier deutlich weniger mit den Elementen Anonymität und Internet spielt, bleibt das Ergebnis qualitativ auf einer ähnlichen Ebene: Grottenlangweilig und komplett unspannend. Die Journalistin Rowena Eldridge (Halle Berry) ist frisch frustriert, nachdem eine große Enthüllungs-Story von ihr aus politischem Kalkül von der Redaktionsleitung gekippt wurde, als sie eine Bekannte aus Kindertagen wieder trifft. Die junge Dame namens Grace erzählt ihr, dass sie online Kontakt zu dem bekannten Werbe-Profi Harrison Hill (Bruce Willis) geknüpft und dann eine heiße Affäre mit ihm begonnen hat. Doch nun sperrt sich Hill (dessen Wohlstand davon abhängt, dass seine misstrauische und wohl betuchte Ehefrau nichts von seinen zahlreichen Seitensprüngen mitbekommt) gegen jede Kontaktaufnahme, und Grace möchte, dass Rowena ein bisschen Wirbel um den Treulosen macht. Wenige Tage später wird Grace tot aufgefunden, ermordet mit einem Augengift (!), und Rowena beschließt, sich mithilfe ihres technisch hoch versierten Kollegen Miles (Giovanni Ribisi) sowohl in Hills Firma einzuschleichen, als auch einen anonymen Online-Flirt mit ihm zu beginnen, um Beweise dafür zu finden, dass er Graces Online-Freund war und sie aus dem Weg geräumt hat, bevor sie ihm Schwierigkeiten machen konnte. Von den großen Namen Berry und Willis sollte man sich hier wirklich nicht blenden lassen, denn im Nachhinein wirft deren Beteiligung an diesem Projekt nur die Frage auf, wie viel Geld eigentlich auf den Tisch gelegt wurde, damit diese beiden Superstars sich für solch einen unausgegorenen, öden Schmufix wie diesen hergegeben haben. "Verführung einer Fremden" (dessen deutscher Verleihtitel auch noch irgendwie verdreht wirkt, schließlich ist es Berry, die hier Willis kalkuliert verführen will, und nicht umgekehrt) liefert über seine gesamte Laufzeit nichts, was ihn von einem gewöhnlichen, einfallslosen TV-Thriller der Marke RTL-Eigenproduktion positiv unterscheiden würde, abgesehen davon, dass hier alles etwas teurer aussieht. Nachdem man sich 100 Minuten lang aufs Ödeste gelangweilt hat, packt "Verführung einer Fremden" schließlich einen großen Schluss-Twist aus, der nach bester "Die üblichen Verdächtigen"- oder "Sixth Sense"-Manier den gesamten bisherigen Film in ein neues Licht rücken soll. Das kommt zu diesem Zeitpunkt zwar relativ überraschend, richtig Wirkung zeigen kann es aber auch nicht, weil die spärlich eingesetzten Hinweise im Verlauf des Films, dass hier noch mehr lauert als man ahnt, zu gering und viel zu diffus ausfallen, um das Publikum wirklich bei der Stange zu halten. Resultat der großen Schlusswendung ist darum auch nicht das erhoffte Aha-Erlebnis mit dem Impuls, sich den Film nochmal anzusehen (um auf Spurensuche zu gehen), sondern wesentlich eher berechtigte Verärgerung darüber, dass einen der Film 100 Minuten lang gelangweilt hat, um sich nicht selbst zu früh zu verraten. "Verführung einer Fremden" ist in allen Plot-Belangen so platt, vorhersehbar und unterdurchschnittlich, dass man sich bald nicht mehr fragt, was die beiden Hauptdarsteller geritten hat, bei sowas mitzumachen, sondern sich noch viel mehr wundert, dass überhaupt ein Hollywood-Studio diesen stinklangweiligen Käse produzieren wollte. Ein Thriller auf unterem TV-Niveau, der so gelackt und sauber daherkommt, dass er sich nicht mal ehrlich an seinen Trash-Wurzeln weidet - wie, bitte schön, soll man da im Kino noch Spaß dran haben? |
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