Jede Menge Schrott. Das haben wir im Horrorgenre in den letzten Jahren auf der Leinwand über uns ergehen lassen müssen. Von kleinen Lichtblicken wie "The Descent" mal abgesehen. Da freut man sich dann schon über jeden Genrevertreter, der zumindest ein bisschen Kreativität und Intelligenz aufweist. Also bitte jetzt aufstehen und applaudieren. Denn mit "Ruinen" bekommen wir endlich mal wieder einen ordentlichen Horrorthriller serviert. Nicht mehr und nicht weniger.
Wobei die Bezeichnung Horrordrama vielleicht passender wäre. Schockmomente und Gore bilden in diesem Fall nämlich einmal zur Abwechslung nicht alleine das Grundgerüst der Geschichte. Sondern auch der Blick auf immer verzweifelter werdende Protagonisten und deren direkten Weg in Richtung Wahnsinn. Den hätte man zwar, vor allem mit der Hilfe von etwas überzeugenderen Darstellern, auch noch deutlich faszinierender gestalten können. Doch angesichts der Einfallslosigkeit, mit welcher dieses Genre sonst in unseren Kinos derzeit auftritt, darf man dem Film für seine kleine Prise Cleverness und Einfallsreichtum durchaus dankbar sein.
Das Ausgangsszenario von "Ruinen" klingt dabei eigentlich gar nicht so neu und kreativ, stattdessen allzu einfallslos und vertraut. Zwei junge amerikanische Pärchen, die etwas nachdenklicheren Jeff (Jonathan Tucker) und Amy (Jena Malone), sowie die deutlich lebenslustigeren Stacy (Laura Ramsey) und Eric (Shawn Ashmore), genießen unbeschwert ihren Strandurlaub in Mexiko. Kurz vor ihrer Abreise lernen sie den deutschen Abenteuerurlauber Mathias (Joe Anderson) kennen, der ihnen von einer mysteriösen Ruine im Dschungel erzählt. Dort führt der Bruder von Mathias gerade archäologische Ausgrabungen durch, hat aber in letzter Zeit nichts mehr von sich hören lassen. Klingt ja eigentlich schon sehr verdächtig. Trotzdem schließen sich die beiden Pärchen einer kleinen Exkursion zu den Ruinen an. Dort angekommen wird aber allen schnell klar, dass man vielleicht doch lieber am Strand geblieben wäre.
Dass man doch lieber daheim geblieben wäre, mag sich auch der Zuschauer nach den ersten 20 Minuten denken. Klischeehafte Figuren, natürlich inklusive einer hübschen Blondine, deren zuvor ach so schöner Urlaub dank einem mysteriösen Gebäude zum Horrortrip wird. Das haben wir nicht nur schon sehr oft, sondern auch meistens nur mit viel Gähnen verfolgt. Wirklich Mut macht der Beginn von "Ruinen" nicht, auch da die Hauptdarsteller in ihren sowieso schon sehr einfach gestrickten Rollen zu Anfang nicht wirklich viel Sympathie ausstrahlen. Man ahnt Schlimmes. Nicht schon wieder so ein einfallsloser Horrorstreifen mit austauschbaren Protagonisten.
Bei der Ankunft der Gruppe ist, wen wundert's, die Ausgrabung bei der Ruine natürlich verlassen und der Bruder von Mathias unauffindbar. Der heißt übrigens in alter Hollywoodtradition Heinrich. Kann irgendeiner denen mal bitte erklären, dass wir unsere Kinder schon seit 50 Jahren nicht mehr so nennen? Gerade als man aber über derartige Kleinigkeiten sinniert und innerlich schon den Haken hinter dem Kästchen "Horror-Einheitsbrei" gemacht hat, passiert es dann. Vollkommen überraschend halten Kreativität und Intelligenz in der Geschichte Einzug.
Ganz so überraschend ist das aber dann vielleicht doch nicht. Denn Autor Scott B. Smith hat immerhin bereits die Vorlage zu dem wundervollen, bitterbösen Drama "Ein einfacher Plan" geliefert. Und dafür sogar eine Oscar-Nominierung eingeheimst. Bei dieser einen Nominierung wird es zwar mit Sicherheit auch nach "Die Ruinen" bleiben, doch mit dem Auftauchen der Ruine setzt Smith endlich die so sehr vermisste Kreativitätsspritze an. Das betrifft zum einen die Wahl der Gegenspieler. So ist der todbringende Bewohner der Ruine zur Abwechslung keine Geistererscheinung oder deformiertes Monster, was dem Ganzen dann doch eine spürbare Portion Frische verleiht. Von kleinen Kindern, die nachts auf Straßen unterwegs sind, oder mysteriösen Erscheinungen, die gerne auf Bildern oder Videos herumgeistern, haben wir nämlich erst mal genug. Clever ist dieser Gegenspieler auch noch und dazu sogar absolut unberechenbar.
Viel schöner ist aber, dass er nicht alleine ist. In "Ruinen" müssen unsere Figuren nämlich gleich an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen. Das sorgt nicht nur immer wieder für willkommene Abwechslung, sondern verstärkt auch die hoffnungslose Lage der Protagonisten. Und genau darauf lenkt der Film immer mehr seine Aufmerksamkeit. Schockmomente und Gore sind zwar durchaus vorhanden, genauso wie die obligatorische kurze Nacktszene. Doch im Kern konzentriert sich die Geschichte auf etwas anderes, nämlich die steigende Verzweiflung der beiden Pärchen im Angesicht des scheinbar übermächtigen Grauens. Hier bildet sich schnell eine ganz eigene Dynamik, die durchaus ihren Reiz hat.
Doch so interessant dieser Aspekt der Geschichte auch ist, vollkommen überzeugen kann seine Umsetzung leider nicht immer. Zum einen fehlt es den Darstellern in einigen Szenen doch ein klein wenig an der nötigen Klasse, um die Entwicklung ihrer Figuren auch immer überzeugend rüberzubringen. Auch wenn zumindest Jonathan Tucker ("Hostage") und Jena Malone ("Into the Wild") im Verlauf des Films deutlich mehr an Farbe gewinnen. Das Problem liegt aber auch darin, dass diese Entwicklungen zu schnell und damit zu oberflächlich dargestellt werden. Schließlich müssen ja auch immer wieder die Gegenspieler Zeit für ihren Auftritt bekommen. So will der Film im Endeffekt einfach ein klein bisschen zu viel des Guten und lässt so dann auch teilweise das Potential von so manch gutem Einfall ungenutzt.
Das bezieht sich insbesondere auf einen wundervollen und perfiden Trick, mit dem hier unsere Protagonisten zur Verzweiflung getrieben werden. Der sorgt für die wohl beste Szene des Films, die durch den durchaus überzeugenden Regieneuling Carter Smith auch packend umgesetzt wird. Doch im weiteren Verlauf geht diese faszinierende Idee leider wieder im Eifer des Gefechts unter. Auch das große Finale des Films kommt etwas zu schnell und abrupt.
Doch was wollen wir meckern. Aus diesem allzu vertrauten Ausgangsszenario noch einen derart unterhaltsamen Film zu basteln, da darf man schon mal ein bisschen Respekt zollen. Den uninspirierten Trailer von "Ruinen" sollte man deswegen bitte ignorieren und dem Film stattdessen eine faire Chance geben. Ob wir in diesem Jahr noch viel bessere Horrorstreifen in unseren Kinos erleben werden, darf nämlich durchaus bezweifelt werden.
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