Ich tanz' mich in dein Herz hinein

MOH (60): 8. Oscars 1936 - "Ich tanz' mich in dein Herz hinein"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 18. Juni 2024

Gut kopiert ist halb gewonnen lautet das Motto unseres heutigen Films, in dem das berühmte Leinwandduo Fred Astaire und Ginger Rogers in unserer Oscar-Reihe nun zum zweiten Mal die Hüften schwingt. Ähnlich wie “Die Elenden“ in unserer letzten Folge erhält aber auch “Ich tanz' mich in dein Herz hinein“ ein paar Abzüge in der B-Note.

Ich tanz' mich in dein Herz hinein

Originaltitel
Top Hat
Land
Jahr
1935
Laufzeit
101 min
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
7
7/10

Eigentlich klingt der übertrieben kitschige deutsche Filmtitel von “Top Hat“ gar nicht so unpassend. Schließlich war ich vom ersten Auftritt des Leinwandpaars Fred Astaire und Ginger Rogers (“Scheidung auf amerikanisch“) ja ziemlich angetan und so nur zu gerne bereit die beiden ein zweites Mal mit viel Schwung in mein Filmherz hineintanzen zu lassen – noch dazu, da der Film als einer der besten Streifen des berühmten Duos gilt. Ein klein wenig Ernüchterung stellt sich am Ende von “Ich tanz' mich in dein Herz hinein“ dann aber doch ein. So schön die vielen Stepptanz-Nummern auch hier wieder ausfallen, man macht es sich doch schon sehr einfach und lässt das selbe Schauspielensemble einfach wieder die fast exakt gleichen Storybeats des Vorgängers durchleben.  

Sehr offensichtlich inspiriert von “Scheidung auf amerikanisch“ nutzt man den Vorgänger hier sowohl inhaltlich als auch in Sachen Casting als Blaupause für ein neues Abenteuer. Fast alle Schauspielerinnen und Schauspieler aus “Scheidung auf amerikanisch“ sind wieder mit an Bord und spielen sehr ähnlich gelagerte Figuren. Auch die Story basiert vor allem wieder aus einer Ansammlung erheiternder Verwechslungen und entführt seine Figuren wieder in ein teures Luxushotel. Los geht es in einem englischen Hotel, in dem die Steppeinlagen des erfolgreichen amerikanischen Tänzers Jerry (Fred Astaire) die unter ihm hausende Dale (Ginger Rogers) um den Schlaf bringen.
 


Ein paar Beschwerden und etwas gegenseitiges Necken später zeigen sich zwischen den beiden aber schon die ersten Frühlingsgefühle. Allerdings hat auch der erfolgreiche italienische Modedesigner Alberto Beddini (Erik Rhodes) ein Auge auf Dale geworfen. Die wiederum geht schon bald fälschlicherweise davon aus, dass Jerry eigentlich mit Madge (Helen Broderick) verheiratet ist, der Frau von Jerrys Manager Horace (Edward Everett Horton). Das sorgt angesichts von Jerrys nachdrücklichen Avancen für Dale natürlich für allerlei Aufregung bei allen Beteiligten, die sich (sehr vielen Zufällen sei Dank) für das große Finale dann alle in einem Luxushotel in Italien versammeln dürfen.

Ähnlich wie die Macher des Filmes bin an dieser Stelle nun auch etwas faul und zitiere aus meiner Kritik zu “Scheidung auf amerikanisch“. “Ich tanz' mich in dein Herz hinein“ wartet mit einer Handlung auf, die “vor allem auf einem Potpourri klassischer Sitcom-Elemente besteht, welches seine zentralen Konflikte und Gags hauptsächlich aus Verwechslungen und Missverständnissen kreiert“. Natürlich immer wieder unterbrochen von der ein oder anderen schwungvollen Stepptanz-Einlage. Doch wirklich frisch fühlt sich das Geschehen hier nur bedingt an. So gibt Eric Rhodes wieder den harmlosen aber sich auf Macho aufspielenden italienischen Lover, der am Ende natürlich leer ausgeht. Edward Everett Horton spielt an der Seite von Astair erneut dessen besten Kumpel, der auch hier wieder von der eigenen Ehefrau stets belächelt wird und Gags auf seine Kosten erst nach längerem Nachdenken durchschaut. Und in einer Nebenrolle soll auch Eric Blore wieder für ein paar Lacher sorgen – diesmal aber nicht als aufmüpfiger Kellner sondern aufmüpfiger Butler.
 


Den Kreativpreis für die Story und das Figurenkarussell darf man hier also getrost zurückhalten. Manchmal kann ein wieder aufgewärmtes Gericht natürlich trotzdem lecker schmecken, doch in diesem Fall geht neben dem Zauber des Neuen schon auch ein wenig Qualität flöten. Manche Figuren schaffen es so nur bedingt regelmäßig für die anvisierten Lacher zu sorgen. Der gute Horace legt so immer die genau gleiche Mimik an den Tag, wenn er Witze über sich erst nach ein paar Sekunden versteht, was nach dem gefühlt zehnten Mal dann doch etwas abgedroschen wirkt. Und die Gags rund um den von Blore gespielten Butler wirken hier und da doch etwas arg verkrampft. Ähnlich gut drauf wie in “Scheidung auf amerikanisch“ ist wenigstens Erik Rhodes, dessen übertrieben stereotypische Interpretation eines italienischen Designers dank dessen gutem Timing und einer ordentlichen Portion Charisma wieder ganz unterhaltsam ist.

Es ist aber schon bezeichnend, dass die beste Nebenfigur der einzige wirkliche Neuzugang des Ensembles ist. Als in sich ruhende und mit einer ordentlichen Portion trockenem Sarkasmus ausgestattete Madge sorgt Helen Broderick regelmäßig für die besten Gags, wenn sie ihrem Mann Horace mit breitem Grinsen selbst das Flirten mit anderen Damen erlaubt – schließlich droht angesichts dessen Inkompetenz ja sowieso keine Gefahr. So ist es vor allem ihr zu verdanken, dass der Film trotz einiger Schwächen immer noch genug Humor zusammenkratzt, dass man hier und da sich ein Grinsen nicht verkneifen kann. So richtig frisch fühlt es sich aber eben dabei nicht an.
 


Das Prinzip Copy und Paste hat man auch bei den Sets angewendet. Hier wollen wir uns aber mal nicht beschweren, auch wenn wir uns auch hier mal wieder fast nur in Luxushotels aufhalten. Dank einem höheren Budget machen diese Sets echt was her und gerade der von Venedig inspirierte Vorplatz des italienischen Hotels ist sehr schön anzuschauen und bietet beste Vorraussetzungen für ein paar stimmungsvolle Tanzdarbietungen. Dort findet dann auch der große epische Abschlusstanz statt, mit dem man damals in dem Genre sein Publikum immer verzaubern wollte (und im Marketing zum Film diesen stets auch mit großen Worten ankündigte). Was in “Scheidung auf amerikanisch“ der “Continental“ war ist hier nun der “Piccolino“. Doch so kühl kalkuliert dessen Existenz auch ist, der Tanz ist tatsächlich ein echter Hingucker geworden. Und im Gegensatz zum Vorgängerfilm macht man hier nicht den Fehler, Rogers und Astaire während dem Tanz zu Randfiguren verkommen zu lassen.  

Womit wir dann auch bei den beiden größten Stärken des Filmes wären. Fred Astaire und Ginger Rogers sind immer noch wie gemacht füreinander und versprühen jede Menge Charme. Ein klein wenig feuriger hätte deren Duell zwar ausfallen können, wenn die beiden zusammen im Bild sind steigt das Energielevel des Filmes aber trotzdem immer überproportional an. Wirklich großartig sind sie natürlich vor allem in den gemeinsamen Tanzszenen und die sind dann auch eigentlich alle richtig gut geworden. Darunter ein einfühlsamer “Beschnupperungs-Tanz“ in einem Pavillon, die wundervoll choreographierte Bühnennummer “Top Hat, White Tie & Tails“ oder das romantische “Cheek to Cheek“, dessen Refrain “Heaven, I'm in Heaven“ auch heute vielen noch vertraut sein dürfte.
 


Vermutlich sind es die genau diese deutlich markanteren Songs, die “Ich tanz' mich in dein Herz hinein“ auf den ersten Platz vieler Bestenlisten von Ginger Rogers und Fred Astaire Kooperationen hieven. Doch so charmant diese und das zentrale Leinwandduo auch ausfallen, gerade wenn man “Scheidung auf amerikanisch“ bereits gesehen hat wirken viele andere Elemente des Filmes eben nicht ganz so rund und einfallsreich. So richtig überzeugend schafft es der Film also nicht, das Versprechen seines deutschen Titels auch bei mir einzulösen.

"Ich tanz' mich in dein Herz hinein" ist aktuell als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar.

 


Trailer zum Film

 


Doku zu Fred Astaire


Ausblick
In unserer nächsten Folge kommen Freunde des Stepptanz schon wieder auf ihre Kosten, wenn wir auf die Fortsetzung eines bereits Oscar-prämierten Filmes treffen.


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