Manch originelle Ideen sind so schlicht und gleichzeitig so brillant, dass man sich im Nachhinein fragt, warum da eigentlich nicht schon längst jemand drauf gekommen ist. Paradebeispiel: "Tucker & Dale vs. Evil", der sich mit der simplen Drehung einer sattsam bekannten Ausgangssituation als einer der originellsten und vor allem unterhaltsamsten Horror-Streifen der letzten Jahre entpuppt. Ein großer Spaß, der sich bereits auf dem Fantasy Filmfest 2010 in Windeseile zum Publikumsliebling wandelte und nun auch auf die allgemeine Kino-Öffentlichkeit losgelassen wird.
Seit Burt Reynolds mit einigen Freunden in "Beim Sterben ist jeder der Erste" 1972 auf einem Fluss ins Hinterland Amerikas paddelte und dort beim Zusammentreffen mit den Einheimischen ein paar Dinge erlebte, die zivilisierte Stadtmenschen in angsterfüllte Schockstarre versetzten, war der "Backwoods-Horror" als Subgenre geboren. Und seit Tobe Hooper mit seinem "Texas Chainsaw Massacre" (1974) dieses Motiv mit Slasher- und Splatter-Elementen anreicherte, wurde an den verfestigten Standards eigentlich nicht mehr gerüttelt: Eine Gruppe unschuldiger junger Leute (bevorzugt: College-Studenten, die sich ein schönes/feucht-fröhliches Wochenende machen wollen) macht einen Ausflug aus der Sicherheit der Zivilisations-Strukturen hinaus in irgendeine Ecke des Hinterlands, in die sich keine Stromleitung und noch seltener ein Gesetzeshüter verirrt. Dort geraten sie in Kontakt mit einem oder mehreren "Eingeborenen" dieser Gegend, die sich alsbald als psychopathische und perverse Serienkiller entpuppen und die Besuchergruppe auf möglichst grausame Weise dezimieren.
Dieses Muster zieht sich nun also schon seit über 30 Jahren durchs Horror-Genre und wurde auch in jüngeren Jahren immer wieder aufgegriffen, manchmal gelungen wie in Eli Roths Debüt "Cabin Fever" oder dem australischen Hit "Wolf Creek", meistens jedoch völlig uninspiriert wie in "Wrong Turn" oder den "Texas Chainsaw Massacre"-Remakes und -Prequels. Das wurde auf die Dauer doch ziemlich langweilig und eintönig.
Warum die Sache also nicht einfach mal umdrehen, dachte sich der junge Filmemacher Eli Craig, und rückt ins Zentrum seines Spielfilm-Debüts zwei Hinterwäldler, die absolut harmlos und herzensgut sind und überhaupt nichts dafür können, dass der Trupp hysterischer College-Kids, der eines Tages in ihrer entlegenen Gegend auftaucht, sie allein aufgrund ihres Aussehens für psychopathische Killer hält. Die resultierenden Panikreaktionen führen zu einer absurden Verkettung von Ereignissen, dank derer unsere beiden unschuldigen Hinterwäldler sich auf einmal mit einer wachsenden Menge an toten Teenagern herumplagen müssen. Dabei wollten sie doch nur helfen….
Auch nur ein Detail mehr über das Wie und Warum des Studenten-Sterbens in diesem Film zu erwähnen, käme einem Spoiler gleich, der mindestens einen großartigen Lacher ruinieren würde; und schließlich muss man ja auch gar nichts weiter sagen, denn jeder Genre-Fan wird schon angesichts der simplen Prämisse dieses Films ahnen, dass hier ein ganz großer Spaß auf ihn wartet.
Es ist wahrlich eine Wonne, wie stilsicher und vergnügt sich Eli Craig in seiner Inszenierung durch die motivischen Standards und die typische Bildsprache des "Hinterwäldler-Horrors" zitiert. Und wer auch nur einen einzigen Film dieses Genres gesehen hat, wird die hysterische Überreaktion der College-Kids nach ihrer ersten Begegnung mit Tucker und Dale nachvollziehen können, gucken die beiden sie doch mit diesem unverwechselbaren Hinterwäldler-Starren an, das eine Hirnkapazität knapp oberhalb der eines Zombies erahnen lässt - und ähnlich böse Absichten.
Immer wieder spielt Craig erfolgreich mit solchen Fehlinterpretationen, erzeugt Situationen, in denen Tucker und Dale völlig harmlose Dinge tun, aber bei den College-Kids den Eindruck erwecken, als würden sich zwei perverse Killer auf ihren nächsten Mord vorbereiten. Das ist herrlich absurd und brüllend komisch konstruiert und sorgt von der ersten bis zur (fast) letzten Minute für konstante Lachattacken im Zuschauerraum. In einem Genre, das sonst mit einfachsten Mitteln sein Publikum zu erschrecken weiß, findet Eli Craig einfachste Mittel, um sein Publikum köstlich zu amüsieren.
Und weil es hier schlicht und einfach nur um den Spaß geht, die man mit der Verdrehung der üblichen Motive dieses Subgenres haben kann, verzeiht man dem Film auch problemlos die eine oder andere Holprigkeit in seiner Erzählung, wenn er zum Beispiel trotz seiner zeit- und räumlich sehr eng beieinander liegenden Handlung des öfteren ruckartig (und ziemlich hanebüchen) vom helllichten Tag in die tiefste Nacht springt, weil die nächste Gag-Sequenz eben nur richtig funktioniert, wenn es dunkel ist; und darum kann man es ihm auch nachsehen, dass der Fun-Faktor zum Ende hin ein wenig abnimmt, wenn der Film nun mal einen Ausweg aus seiner absurden Konstellation finden muss und sich an diesem Punkt leider nicht mehr sonderlich originell anstellt.
Aber an diesem Punkt hat man eh bereits schon so viel gelacht, dass es auch okay ist, wenn man in den letzten Szenen allenfalls noch schmunzeln kann. Das ändert auch nichts mehr an der Tatsache, dass "Tucker & Dale vs. Evil" der erste richtig große Kinospaß des Jahres 2011 ist, der Genre-Fans ganz besonders, aber auch allen anderen wärmstens ans Herz gelegt sei. Und keine Angst vor dem Splatter-Spaß: Hier wird zwar wenig zimperlich und gerne auch mal sehr blutig gestorben, eklig wird's dabei aber nie. Nur wahnsinnig komisch. Und das die ganze Zeit.
Neuen Kommentar hinzufügen