Vier Schwestern

MOH (33): 6. Oscars 1934 - "Vier Schwestern"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 6. Januar 2024

Mit Gary Cooper in "In einem anderen Land" und Cary Grant in "Sie tat ihm unrecht" haben wir zuletzt zwei berühmte männliche Schauspiellegenden in leider nur wenig überzeugenden Frühwerken ihrer Karriere beiwohnen dürfen. Überlassen wir die Bühne deshalb jetzt zur Abwechslung einer Frau, die uns zeigt wie man es besser macht und im 1934 für den Oscar nominierten "Vier Schwestern" bereits eindrucksvoll ihr Ausnahmetalent zur Schau stellt.

Vier Schwestern

Originaltitel
Little Women
Land
Jahr
1933
Laufzeit
115 min
Genre
Regie
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
8
8/10

Beim Anblick legendärer Stars aus Hollywoods goldener Ära (die frühen 1930er bis späten 1950er Jahre) schwelgt man heute ja meist in wärmender Nostalgie. Dabei übersieht man leicht, dass viele  dieser Stars nicht einfach nur überbordendes Charisma zu bieten hatten, sondern mit ihrem Schauspielstil kommende Generationen für immer beeinflussen sollten. Vorhang auf für die großartige One-Woman-Show von Katharine Hepburn als abenteuerlustige Jo in “Vier Schwestern“. Gemeinsam mit ihren drei Schwestern Amy (Joan Benett), Meg (Frances Dee) und Beth (Jean Parker) muss Jo während des amerikanischen Bürgerkriegs ihre Mutter (Spring Byington) unterstützen, da der Vater als Soldat an die Front berufen wurde. Gleichzeitig feilt die lebensfreudige junge Dame aber auch an ihrer noch jungen Karriere als Autorin und hat ein Auge auf den Enkelsohn (Douglass Montgomery) des wohlhabenden Nachbarn (Henry Stephenson) geworfen.
 
Einigen dürfte der Originaltitel des Filmes (“Little Women“) wohl bekannt vorkommen, schließlich wurde die Romanvorlage von 1868 vor kurzem erst von Regisseurin Greta Gerwig noch einmal neu aufgelegt – diesmal mit Saoirse Ronan und Emma Watson in den Hauptrollen. Im Gegensatz zur 2019er Variante war der Fokus eines Filmes auf rein weibliche Figuren 1933 natürlich deutlich ungewöhnlicher und bei den bisherigen Oscar-Verleihungen so noch nicht zu sehen gewesen. Die Geschichte fällt dafür deutlich unspektakulärer aus, denn “Vier Schwestern“ begleitet unsere vier Protagonisten ganz entspannt in deren Alltag und legt dabei vor allem zu Beginn Wert auf eine positiv-naive Grundstimmung. Abgesehen von kleinen Reibereien haben sich hier alle lieb und der Film kommt im Wesentlichen auch ohne irgendwelche Antagonisten aus.


Stattdessen darf man den Schwestern zum Beispiel bei einem von Jo mit viel Hingabe und etwas Chaos inszenierten Theaterstück zuschauen oder deren ersten Liebschaften begleiten. Wobei der Fokus schon ziemlich schnell fast komplett auf Jo übergeht, deren träumerisch-anarchisches Wesen sie allerdings auch mit Abstand zur faszinierendsten Figur werden lässt. Inszeniert ist das mit einem sehr feinfühligen Händchen von Regisseur George Cukor, der einen ziemlich guten Flow für den Film findet, weil er genau weiß wann man auch mal innehalten und seine Figuren etwas reflektieren lassen sollte. Ein Jahr zuvor hatte Cukor mit “Eine Scheidung“ dabei das Filmdebüt von Katharine Hepburn verantwortet und war so begeistert von dieser, dass die beiden am Ende insgesamt zehn Filme gemeinsam produzieren sollten. Und Cukors Begeisterung ist angesichts von Hepburns Leistung in “Vier Schwestern“ verdammt leicht nachvollziehbar.

Gerade im Vergleich zu den bisher hier in unserer Reihe besprochenen Frauenrollen tanzt die Darstellung von Hepburn einfach komplett aus der Reihe. Mit einer faszinierenden Mischung aus dominantem Tomboy und verträumter Abenteuerin zieht Hepburn die Aufmerksamkeit jederzeit an sich und navigiert unglaublich leichtfüßig zwischen verschiedenen Stimmungs- und Gefühlslagen hin und her. Selten war ich so fasziniert davon bei einer Figur auf den Schauspielstil zu achten. Die Art und Weise wie Hepburn sich in einem Raum bewegt, positioniert oder kleinste Gesten nutzt um diesen sofort mit ihrer Präsenz zu füllen ist schlicht grandios. Und das alles in einem unglaublichen Flow, der all dies wie die natürlichste Sache der Welt ausschauen lässt. Wer auf der Suche nach einer schauspielerischen Sternstunde ist, willkommen auf der Party.


Der Schwung mit dem Hepburn durch das Drehbuch braust ist auf schon fast magische Weise ansteckend, allerdings auch etwas unfair für die restlichen Figuren. Die machen ihre Sache ordentlich, haben aber keine Chance hier irgendwie mitzuhalten. Den Oscar für die beste Schauspielerin bekam Hepburn in dem Jahr dann für ihre Schauspielkunst auch direkt in die Hand gedrückt, allerdings für ihre Leistung in einem anderen Film (“Morgenrot des Ruhms“). Hepburns Meisterleistung hilft dann auch über den schwächeren Mittelteil des Filmes hinweg, wo “Vier Schwestern“ doch spürbar an Fahrt verliert und der Wechsel hin in etwas ernstere Gefilde einfach nicht die nötige Tiefe mitbringt, um wirklich nachhaltig zu faszinieren.

Erst der Auftritt einer neuen Figur im letzten Drittel bringt dann wieder etwas Schwung, weil der Film sich nun wieder auf seinen liebevoll-naiven Grundcharme besinnt. Schade ist nur, dass bei aller Frauenpower man dann doch wieder ein Ende mit einer eher konservativen Botschaft präsentiert bekommt, auch wenn dies natürlich im Einklang mit dem Alter der Romanvorlage steht.

Dies und manch weitere Storyschwäche kann man dem Film leicht zum Vorwurf machen, über weite Strecken ist aber doch ausreichend Charme vorhanden, um dieses harmlose Vergnügen entspannt genießen zu können. Unter normalen Umständen ein klassischer “Sieben-Augen-Film“ auf den ich aber dank einer fantastischen Hauptdarstellerin nur zu gerne ein achtes Auge bei der Wertung obendrauf packe. Wobei natürlich angemerkt werden muss, dass Hepburns Schauspiel natürlich noch einmal viel eindrücklicher wirkt, wenn man in den Wochen davor duzende Filme aus der gleichen Zeit konsumiert hat und so hier fast ein kleines schauspielerisches Erweckungserlebnis hat. Man merkt, der Rezensent ist ein bisschen verliebt und freut sich schon wie ein Schoßhund auf all die Hepburn-Filme, und das sind einige, die hier noch am Horizont auf ihn warten.

"Vier Schwestern" ist aktuell als DVD auf Amazon als auch digital auf Amazon Prime in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film auch auf der Webseite des Internet Archive kostenlos abrufbar.
 


Ausblick
In unserer nächsten Folge gibt es gleich den nächsten dominanten Auftritt einer Hauptfigur zu bewundern, der statt Eleganz aber vor allem auf Mut zur Lächerlichkeit setzt.   


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