Kevin Smith ist eine Kultfigur des Independent-Kinos, weil er
geschafft
hat, wovon jeder junge Filmfan daheim auf seinem Sofa
träumt.
Mit Anfang 20 hatte Smith das College geschmissen und
arbeitete
in seiner heimischen Kleinstadt in einem bedeutungslosen
Job hinterm
Tresen eines Mini-Supermarktes. Dann verschuldete er sich
über
beide Ohren, um für 25.000 Dollar einen Film über zwei
desillusionierte Mit-Zwanziger zu drehen, die in just
jener Kleinstadt
in just jenem Mini-Supermarkt just jenen bedeutungslosen
Job machten.
Das Ergebnis hieß "Clerks" und erwies sich als einer
der besten, wichtigsten und witzigsten Independent-Filme
der 90er
Jahre.
Seitdem
kann es sich Smith erlauben, mit seiner eigenen
Produktionsfirma
für vergleichsweise bescheidene Budgets unabhängig seine
eigenen Filme zu machen, die dank seiner treuen
Fan-Gemeinde auch
immer genug Geld einspielen, um den Laden am Laufen zu
halten. Wenn
auch keiner seiner Filme zu einem größeren Erfolg wurde
- es gibt wohl kaum einen anderen Regisseur, der so
sorgenfrei sein
eigenes Ding durchzieht wie Kevin Smith, und der dabei so
bodenständig
geblieben ist.
Die Filme machen zu können, die er machen will, heißt
dann eben nicht nur, als gläubiger Katholik in einer
herrlichen
Komödie mit dem Starrsinn der kirchlichen Lehre
aufzuräumen
("Dogma"),
sondern auch,
das von Smith selbst und seinem alten Kumpel Jason Mewes
dargestellte
Stoner-Duo Jay & Silent Bob in jedem seiner Filme
auftreten
zu lassen und den Fans zuliebe dann sogar einen eigenen
Film für
die beiden zu machen ("Jay & Silent
Bob strike back"). Und nun, zwölf Jahre nachdem seine
Karriere mit zwei Tresen-Angestellten begann, kehrt Smith -
wiederum
auf vielfachen Fan-Wunsch - zu den beiden zurück.
Wie zu erwarten war, sitzen Dante (Brian O'Halloran) und Randal (Jeff Anderson) trotz der guten Vorsätze, die sie am Ende des ersten Teils beschlossen hatten, noch immer in ihrem alten Job im "Quick Stop" fest - bis dieser durch einen Unfall in die Luft fliegt (alte Fans dürfen schon mal raten, wer wohl die Schuld trägt). Ein paar Monate später stehen Dante und Randal hinterm Tresen eines Fast-Food-Restaurants, gemeinsam mit den komplett nerdigen Elias (Trevor Fehrman) und Becky (Rosario Dawson), die das Restaurant für ihren kranken Vater managt. Doch Dante will dieses triste Dasein nun endgültig hinter sich lassen: Die superheiße Emma (Smiths tatsächliche Ehefrau Jennifer Schwalbach) hat sich zu Randals komplettem Unverständnis seinen Kumpel Dante geangelt, und dank ihrer wohlhabenden Familie steht ein Umzug nach Florida ins neue Haus zum neuen Job an. Randal hält da gar nichts von, lässt es sich aber trotzdem nicht nehmen, Dante einen unvergesslichen Abschied zu bereiten. Unterdessen wird sich Dante darüber klar, dass es vielleicht noch einen guten Grund gibt, warum er seine Zelte in New Jersey nicht abbrechen sollte…
Es ist eigentlich müßig, hier künstlich Spannung
zu erzeugen, da Dantes Verlobte Emma auch gleich mit einem
großen
Sticker "Die falsche Frau" hätte auftreten können
und es offensichtlich ist, dass Dantes Glück bei der
lieben
Becky liegt. Doch während der spannungsarme und sehr
konventionelle
Plot der große Schwachpunkt bei Smiths letztem Film "Jersey
Girl" war (ohnehin die größte Annäherung
zum Mainstream in seiner Karriere), ist er hier herzlich
egal. Denn
auch beim Ur-"Clerks" ging es nicht um die kaum
vorhandene Handlung, sondern um das Portrait dieser beiden
Burschen
hinterm Tresen, die stellvertretend standen für einen Teil
ihrer Generation, der den Absprung nicht geschafft hatte
oder gar
nicht schaffen wollte.
"Generation X" und "Slacker" nannte man diese
desillusionierten, Popkultur-überfütterten jungen Leute
in den 90ern, und dass Smith damals wie heute den Nerv
eben dieser
Zeitgenossen trifft ist der Kern seines Fan-Erfolges. Man
kann sich
in einem Smith-Film aus tiefster Seele verstanden fühlen,
während
man gleichzeitig über einen an sich pubertären
Schwanz-und-Furz-Humor
lacht, der selber weiß, dass er total albern ist.
Smith versteht es wie kein anderer, die Lebensprobleme
seiner Generation
auf herrlich komische Art und auf ihre ganz eigene Weise
aufzubereiten.
Symptomatisch die wundervolle Szene, in der sich der alte
"Star
Wars"-Fan Randal mit seinem über zehn Jahre jüngeren
Tresen-Kollegen Elias - einem "Herr des Ringe"-Anhänger
- darüber streitet, welches die einzig wahre "heilige
Trilogie" sei. Es ist an sich eine belanglose Diskussion
unter
überernsthaften Film-Freaks, aber gleichzeitig
unterstreicht
die Szene, dass Dante und Randal zu alt werden für das
Leben,
das sie führen.
Auf
die Gefahr hin, dass das jetzt alles zu ernsthaft klang,
ein paar
Worte der Entwarnung: "Clerks 2" ist zuallererst immer
noch eine herzhaft alberne Komödie ohne Schamgefühl. Jay
und Silent Bob sind natürlich wieder mit dabei und sorgen
für
die übliche Menge an Stoner-Humor; ebenfalls nicht fehlen
dürfen
Gast-Auftritte der alten Smith-Kameraden Ben Affleck und
Jason Lee.
Achja, und Randals Verständnis eines unvergesslichen
Abschieds
ist kein verkitschter Beste-Freunde-Abend, sondern eine
Tiersex-,
Verzeihung, "Inter-Spezies-Erotik"-Show (die dann
natürlich
auch ganz anders läuft als geplant).
Womit Smith wieder einmal beweist, dass er zwar die
Verantwortung
des Erwachsenwerdens auf sich genommen hat, seinen
infantilen Humor
aber trotzdem weiter liebevoll pflegt. Man kann als
"Slacker"
auch erwachsen werden und sich selbst treu bleiben. Und
deshalb
gelingt es Smith auch, für seine beiden Anti-Helden hier
ein
Ende zu finden, das zwar überraschend kommt, aber
eigentlich
vollkommen konsequent ist. Fast schon poetisch.
Und, sollte man sich diesen Film angucken, wenn man noch nie einen Smith-Film gesehen hat? Ehrlich gesagt: Nein. Wie schon "Jay & Silent Bob strike back" ist "Clerks 2" ein so speziell auf Smiths Fangemeinde zugeschnittener Film, dass für Nicht-Vertraute gut die Hälfte des Spaßes gar nicht erst ersichtlich ist. Macht das "Clerks 2" zu einem gescheiterten Film? Nein. Denn Kevin Smith macht seine Filme eben nicht für alle, sondern für die Leute auf seiner Wellenlänge. Und wenn man zu denen gehört, dann ist "Clerks 2" ein herrlich witziges, unterhaltsames und sogar anrührendes Wiedersehen mit ein paar richtig guten Kumpels.
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