Studentinnen, die als „Escort-Service“ ihr Geld verdienen, werden heute in Büchern wie „Fucking Berlin“ gefeiert. Doch ist ein Nebenjob im ältesten Gewerbe der Welt für die Elite von morgen wirklich das Richtige? In Sabine Derflingers extensiv recherchiertem österreichischem Drama „Tag und Nacht“ ist diese Form der Prostitution in Wahrheit hauptsächlich banal und alles andere als glamourös. Ihre zwei Hauptfiguren, Studentinnen aus der Provinz, für die Wien die aufregende Großstadt darstellt, meinen, dass sie beim Escort-Service mehr Geld verdienen werden als in der Gastronomie und entscheiden sich nach dem Werfen einer Münze dafür. Sie sind finanziell nicht gezwungen, genau diesen Weg einzuschlagen, sondern eher neugierig und wollen sich vielleicht auch selbst ihren Mut beweisen. Doch nach einer Weile zeigen sich die Rollen der Studentin und der Hure als unvereinbar und das reale Leben mit Examen und Kommilitonen scheint sich immer weiter von ihnen zu entfernen.
Regisseurin Sabine Derflinger und Produzentin und Co-Autorin Eva Testor verbrachten viel Zeit mit Interviews und Alltagsbeobachtungen in Escort-Services und legen „Tag und Nacht“ somit auch nicht klischeehaft an, sondern zeigen den banalen Alltag, der weder besonders glamourös noch jederzeit gewalttätig ist. Der Betreiber des Escort-Services ist eher ein kleiner Geschäftsmann als der Klischee-Zuhälter, der seine Huren schlägt, die Kunden hingegen sind entweder gelangweilte Familienväter oder gestresste Manager. Alle sind in „Tag und Nacht“ dauernd nackt und Geschlechtsteile werden gezeigt, doch wirft die Kamera keinen pornografischen Blick auf diese Leiber, sondern vielmehr einen entblößenden, quasi-dokumentarischen Blick, bei dem die Menschen eher aussehen wie der Durchschnitt aus der Sauna von nebenan. Derflinger traf ebenfalls die Entscheidung, dass die Hauptdarstellerinnen Anna Rot und Magdalena Kronschläger nicht abnehmen oder ins Fitnessstudio gehen sollten, sondern sich mit dem Körper zeigen, den sie gerade hatten. Durch diese Eigenschaften wirkt „Tag und Nacht“ sehr realitätsnah.
Leider wird die Banalität dieses unglamourösen Nebenjobs jedoch auch für den Zuschauer schnell langweilig. Die Handlung plätschert mal vor sich hin, erlebt aus heiterem Himmel kurze Explosionen an Emotionen, wabert dann noch ein wenig herum und scheint allgemein eher unwichtig gewesen zu sein. Das Ende ist zwar gut gewählt, doch der Zuschauer ist zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ganz dabei – zu simpel wurden manche Konflikte gelöst oder fielen einfach hintenüber.
So zeigt „Tag und Nacht“ deutlich, dass Prostitution eben kein Job ist wie jeder andere und zur Studienfinanzierung gänzlich ungeeignet, aufgrund der stark verschobenen Machtverhältnisse und der körperlichen Intimität, der sich die Studentinnen aussetzen, sowie aufgrund der Tatsache, dass auch Personen aus dem Studienalltag diesen Nebenjob mitbekommen und die Escort-Damen moralisch richten können. Zwar wird in „Tag und Nacht“ weder jemand umgebracht noch mit unheilbaren Geschlechtskrankheiten angesteckt, doch ist die psychische Wirkung auf die Studentinnen gut gezeigt.
Ein Dokumentarfilm über das Thema wäre vielleicht besser gewesen, ist jedoch kaum möglich: Welche sich prostituierende Studentin und welcher Freier wollen schon für immer in dieser Konstellation auf Film gebannt werden? So musste dies ein Spielfilm werden, doch aufgrund seiner erzählerischen Schwächen wird in „Tag und Nacht“ aus der Langeweile der Figuren leider die Langeweile des Zuschauers.
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