1969 landete nicht nur Neil Armstrong als erster Mensch auf dem Mond, sondern auch David Bowie mit "Space Oddity" seinen ersten großen Hit. Er sang darin von einem fern von der Erde einsam in seinem Raumschiff zum Mond und hinaus ins Weltall schwebenden Astronauten. 40 Jahre später hat zwar schon lange kein Mensch mehr den Mond betreten, der Erdtrabant fasziniert jedoch wie eh und je und erlebte 2009 ein kleines kulturelles Revival. Nicht nur Frank Schätzing rückte den Mond durch seinen Bestseller "Limit" zumindest hierzulande wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein, bereits einige Monate zuvor erlebte "Moon" auf dem Sundance Film Festival seine Weltpremiere. Dessen Regisseur Duncan Jones - früher auch bekannt unter dem Namen Zowie Bowie - ist der Sohn von David Bowie und erregt nun ebenfalls mit der Geschichte eines einsamen Astronauten zum ersten Mal die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit. Die Vorliebe für die Weltraum-Thematik scheint also in der Familie zu liegen.
Der Name des berühmten Vaters mag geholfen haben, Interesse auf Duncan Jones' Film zu ziehen, doch man täte dem Film Unrecht, sähe man in ihm bloß das Erstlingswerk des Sohnes von David Bowie. Denn mit "Moon" ist Jones ein intelligenter, aus der Masse der meist actiongeladenen, auf schnelle Effekthascherei angelegten Sci-Fi-Streifen der letzten Jahre herausragender Film gelungen, der in jeder Hinsicht überzeugen und sogar begeistern kann.
Aber der Reihe nach: "Moon" spielt in einer nicht näher datierten, aber nicht allzu fernen Zukunft. Da die Rohstoffe auf der Erde immer knapper werden, hat man damit begonnen, das auf dem Mond reichlich vorhandene Helium 3 abzubauen und so eine neue Energiequelle erschlossen, die die Energieversorgung der Menschheit für lange Zeit sicherstellen wird. Zu diesem Zweck hat die Firma Lunar Energies auf dem Mond eine Förderstation errichtet, deren Besatzung nur aus einem einzigen Mann besteht (ansonsten läuft alles voll automatisiert). Dieser Mann ist momentan Sam Bell (Sam Rockwell), dessen dreijährige Dienstzeit fast abgelaufen ist. Gesellschaft leistet ihm lediglich der Roboter Gerty (im Original gesprochen von Kevin Spacey), der ihn bei seiner Arbeit unterstützt und auch für Sams medizinische Versorgung sorgt. Kontakt zur Erde hat Sam aufgrund eines defekten Kommunikationssatelliten nur in Form von aufgezeichneten Videobotschaften, die er von seinen Vorgesetzten und seiner Frau erhält. Nachdem Sam bei einem Außeneinsatz an der Helium-3-Förderanlage einen Unfall erlitten hat, wacht er unter Gertys Betreuung in der Basisstation wieder auf, ohne sich an seine Rückkehr dorthin erinnern zu können. Kurz darauf kommt es zu einem Ereignis, welches ihn immer mehr an seinem Geisteszustand zweifeln lässt.
Dass es sich bei "Moon" um einen Independent-Science-Fiction-Film handelt, hört sich eigentlich nach einem Widerspruch an, schließlich liegt es ja in der Natur des Genres, durch die Erschaffung fremder oder zukünftiger Welten und Lebensformen schnell die Budgets in die Höhe schießen zu lassen. Dank der Beschränkung auf einen einzigen Schauplatz (das Innere der Mondstation und nur ein paar wenige Außeneinsätze) sowie im Wesentlichen nur eine einzige Figur ist es Jones jedoch gelungen, mit nur fünf Millionen Dollar einen fast perfekten Sci-Fi-Film zu drehen, dem man den Sparzwang und die Einschränkungen aufgrund seines geringen Budgets kaum anmerkt. Nachdem "Moon" also im letzten Jahr unter anderem das Publikum in Sundance, beim Tribeca Film Festival in New York und auf dem Filmfest München begeistert hat, wird dem Film nun endlich der wohlverdiente deutschlandweite Kinostart spendiert.
Wer den Trailer zum Film gesehen hat, der weiß bereits, welche Überraschung "Moon" nach dem ersten Drittel seiner Laufzeit für Sam und die Zuschauer bereithält. Trotzdem soll an dieser Stelle nicht mehr verraten werden, als dass Rockwell hier eine wirklich herausragende schauspielerische Leistung abliefert, die den Film zu einem spannungsgeladenen Kammerspiel macht. Dass er sich praktisch ganz allein ohne Partner durch den gesamten Film schauspielert, macht seine Leistung nur noch beeindruckender. Nach der ersten überraschenden Wendung werden zwar wohl viele Zuschauer ahnen, worauf das alles schließlich hinausläuft, dies tut der Spannung jedoch keinen Abbruch. Der Film verlässt sich nämlich zum Glück nicht allein auf einen überraschenden Clou, sondern zieht die Zuschauer bereits von den ersten Minuten an durch eine sich langsam aufbauende und immer mehr verdichtende Atmosphäre in den Bann. Die begrenzten Räumlichkeiten, die dem Filmteam zur Verfügung standen, erweisen sich hierbei sogar als Vorteil; dass man auch als bloßer Zuschauer dem sterilen Weiß der Wände, Böden und Decken der Station kaum entkommen kann, macht einem Sams Einsamkeit noch bewusster und lässt einen mit ihm (und Gerty) ganz allein. Die wenigen, mithilfe von Modellen realisierten Außenaufnahmen, können dabei ebenfalls vollkommen überzeugen.
Der Stationsroboter Gerty dient Sam als Kollege, Arzt und Psychologe, weckt aber von Beginn an das Misstrauen des Zuschauers - steht Gerty wirklich vollkommen aufs Sams Seite oder verheimlicht er ihm etwas? Kevin Spacey verleiht Gerty mit seiner Stimme zwar sympathische Züge, legt jedoch immer wieder einen unheimlichen Unterton hinein. So spielt der Film geschickt mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, ist ein jeder Cineast bei solch einem Szenario doch geradezu darauf konditioniert, sofort an HAL 9000 zu denken, den Computer aus Stanley Kubricks "2001" - und entsprechend das Schlimmste zu befürchten.
Duncan Jones, der vor seinem Einstieg ins Filmgeschäft Philosophie studiert hat, behandelt in "Moon" mehrere klassische Themen der Science-Fiction, die neben Fragen zur künstlichen Intelligenz etwa noch die Einzigartigkeit des Individuums, die Energieversorgung der Zukunft oder das Ignorieren ethischer und moralischer Grenzen um des wirtschaftlichen Profits willen umfassen. Mit "Moon" kommt damit endlich mal wieder ein sowohl intelligenter als auch spannender, durch und durch klassischer Sci-Fi-Film in die Kinos, der zudem mit einer hervorragenden darstellerischen Leistung Sam Rockwells und einem an die legendären Sci-Fi-Filme der 70er und 80er angelehnten "handgemachten" Look begeistern kann. Dass er dabei vollkommen ohne Action, Aliens und Laserwaffen auskommt und einen trotzdem von der ersten bis zur letzten Minute zu fesseln weiß, sollte Grund genug sein, sich diesen Film, der durchaus das Zeug zum zukünftigen Klassiker hat, nicht entgehen zu lassen.
Duncan Jones bleibt dem Genre übrigens treu: Eines seiner nächsten Projekte ist ein von "Blade Runner" inspirierter Science-Fiction-Film. Da hat sich jemand offensichtlich Großes vorgenommen, aber nach einem so außergewöhnlichen Einstand traut man ihm auch zu, dies (nochmals) zu vollbringen.
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