Es war eine wahrlich außergewöhnliche Reise, auf die im Jahre 1998 Marie Miyayama eine Japanerin hier in Deutschland begleitete. So außergewöhnlich, dass Miyayama diese nun zehn Jahre später in ihrem Debütfilm "Der Rote Punkt" verarbeitet und weitergesponnen hat, und damit gleich auf mehreren Filmfestspielen für Furore sorgte. Eine gekonnte Inszenierung, schöne Bilder und eine tolle Hauptdarstellerin - einige der Zutaten lassen einen diese Begeisterung auch durchaus nachvollziehen. Doch schwächelnde Nebendarsteller und eine nicht immer wirklich überzeugende Geschichte trüben ein wenig die Freude an diesem ansonsten durchaus soliden Regiedebüt.
Anstatt sich auf die anstehende Jobsuche zu konzentrieren, entscheidet sich die junge Japanerin Aki (Yuki Inomata) dazu, ihr Heimatland zu verlassen und sich im idyllischen deutschen Ostallgäu auf Spurensuche ihrer tragischen Familiengeschichte zu begeben. Ein mysteriöser roter Punkt auf einer Landkarte führt sie dabei nicht nur in die bayerische Provinz, sondern auch gleich in die Arme der Familie Weber. Während der 18jährige Elias Weber (Orlando Klaus) sich von der unbekannten Fremden angezogen fühlt, reagiert Vater Johannes (Hans Kremer) befremdlich auf den neuen Gast. Aki ahnt dabei nicht, dass ihr Besuch schon bald alte Wunden aufreißen und den Zusammenhalt der Familie auf die Probe stellen wird.
Japanerin
kommt in die bayerische Provinz - das riecht nach jeder
Menge Kulturschock
und Missverständnissen. Doch die spielen in "Der Rote
Punkt" nur bedingt eine Rolle, denn lange Zeit wird man
als
Zuschauer mit zwei relativ separaten Geschichten
konfrontiert. Auf
der einen Seite die von Aki, die als ruhige Eigenbrötlerin
sich ganz unbeirrt alleine ihrer Vergangenheitsbewältigung
widmet. Auf der anderen Seite die Geschichte der Familie
Weber,
die Aki zwar bei sich aufnimmt aber nicht wirklich den
intensiven
Kontakt mit ihr sucht, sondern stattdessen lieber mit
ihren eigenen
Problemen kämpft. Wirklich interessant sind diese leider
nicht,
denn der Geschichte vom aufmüpfigen Sohn und dem strengen
Vater
fehlt es nicht nur an Tiefe, sondern auch an wirklich
guten Darstellern.
Dem eher hölzernen Spiel von Orlando Klaus und Hans Kremer
steht aber eine geradezu vor Charme nur so sprühende Yuki
Inomata
als Aki gegenüber, deren Erzählstrang dazu auch noch
deutlich
einfühlsamer präsentiert wird. Non-verbale Konversation
vom Feinsten gibt es hier zu bewundern, gepaart mit jeder
Menge
wunderschöner Bilder, bei denen unsere japanische
Protagonistin
nachdenklich durch die romantische Landschaft streift -
immer auf
der Suche nach dem mysteriösen roten Punkt auf ihrer
Landkarte.
Yuki
Inomata ist ohne Zweifel die große Stärke des Films,
zusammen mit einer wirklich einfühlsamen und angenehm
zurückhaltenden
Inszenierung, welche dieser Figur genug Raum zum Atmen
gibt. Mit
ihrer ruhigen und freundlichen Art strahlt Aki dabei genau
die Sympathie
und Tiefe aus, die Vater und Sohn der Familie Weber leider
so schmerzlich
vermissen lassen. Natürlich versucht der Film schon ab und
zu diese beiden Erzählstränge auch miteinander zu
verbinden,
doch so richtig überzeugend klappt dies bis kurz vor
Schluss
leider nicht. Am kläglichsten scheitert dabei der Versuch,
eine mögliche Liebesgeschichte zwischen Aki und Elias
anzudeuten.
Letzterer kommt nämlich einfach zu naiv und oberflächlich
rüber, als dass die nachdenkliche Aki ernsthaft an ihm
Interesse
finden könnte. Das die Beziehung zwischen der deutschen
Familie
und ihrem japanischen Gast dabei nie so wirklich Fahrt
aufnimmt,
raubt dem Film dann leider schon einiges von der Energie,
welche
die japanische Hauptfigur so wundervoll auf der Leinwand
erzeugt.
Erst
als am Ende eine für beide Seiten schockierende Wahrheit
ans
Licht kommt, die sich allerdings schon meilenweit riechen
lässt,
hält endlich Leben Einzug in das Beziehungsgeflecht
unserer
Protagonisten. Aber auch ergibt sich am Ende ein etwas
zwiespältiges
Bild. So liefern die Macher einerseits mit einer
wundervoll inszenierten
Picknickszene den emotionalsten und schönsten Moment des
ganzen
Films ab, verpassen aber danach leider auch eine große
Chance.
Denn genau jetzt, wenn Aki und die Familie Weber sich
wirklich etwas
zu sagen hätten, wenn endlich beide Seiten auf dem Weg
sind
auch miteinander zu interagieren, dann verabschiedet sich
der Film
auf einmal mit einem abrupten Ende von seiner Geschichte.
Doch auch wenn sich manche Schwächen nicht von der Hand weisen lassen, für einen Debütfilm ist das Ergebnis dann doch immer noch ganz respektabel. Und die Namen Miyayama und Inomata können sich Filmproduzenten und Filmliebhaber gleichermaßen notieren, da könnte durchaus noch einiges Interessantes nachkommen.
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