Eines muss man Jennifer Lopez zugute halten: Sie ruht sich nicht auf ihrer Attraktivität aus. Während in ihren Musikvideos der Verführ-Faktor des berühmtesten Hintern der Welt noch deutlich im Vordergrund steht, beweist La Lopez in der Wahl ihrer Filmrollen zumindest beizeiten Mut zum Extremen. So bescherte sie schon dem visuell mächtig kontroversen "The Cell" mit ihrer Anwesenheit die nötige Publicity, und versucht sich nun am Portrait einer malträtierten Haus- und Ehefrau. Löbliches Vorhaben, das allerdings an einer typischen Hollywood-Einstellung dieser Tage scheitert: Wer den Star hat, braucht für den Film nicht mehr zu sorgen. Oder: Warum sich noch um ein ordentliches Skript kümmern, wenn die Zuschauer eh nur wegen J.Lo ins Kino kommen?
Slim heißt die junge Dame, die von Miss Lopez portraitiert als Kellnerin eines unverhofften Tages am Arbeitsplatz die Liebe ihres Lebens trifft - oder so scheint es zumindest. Der Geschäftsmann Mitch (Billy Campbell) schenkt seiner Angebeteten in schneller Folge einen Ehering, das Haus ihrer Träume und einen dicken Bauch mit anschließenden Mutterfreuden. Alles Paletti für ein glückliches Älterwerden im Vorortparadies, wenn Slim nicht eines Tages auf den Trichter kommen würde, dass ihr Gatte sie betrügt. Der versucht das auch nicht lange schön zu reden, und wandelt sich innerhalb von wenigen Sekunden vom Traum- zum Albtraumehemann: Arrogant, herrschsüchtig und potentiell gewalttätig verlangt er Gehorsam und Unterordnung von seiner Frau, die das jedoch bald nicht mehr zu geben bereit ist. Mit Hilfe alter Freunde flieht Slim plus kleiner Tochter, dank seiner anscheinend unerschöpflichen Kontakte jedoch immer mit den Handlangern ihres Mannes auf den Fersen.
An
"Genug" ist alles vorhersehbar und langweilig, und das
ist auch oder vor allem die Schuld der PR-Kampagne: In jedem Spot
wird der Film als Selbstjustiz-Reißer etabliert, doch bis
Slim die allseits propagierte Wandlung von der Fliehenden zur Attackierenden
durchmacht ist der Film schon fast vorbei. Die Ausrede, dass man
sich vorher einer realistischen Darstellung der Problemsituation
widmen wollte, in der sich Frauen wie Slim wieder finden, zieht
auch nicht: Sie unternimmt keinen ernsthaften Versuch, sich von
offizieller Seite helfen zu lassen (ohnehin scheint ihr Gatte über
mehr Ressourcen als ein mittelgroßer Geheimdienst zu verfügen),
und als das prekäre Problem fehlender Geldmittel langsam wirklich
dringlich wird, zaubert Autor Nicholas Kazan einen schwerreichen
Papi aus dem Hemdsärmel (mit dem schönen Namen Jupiter),
der Slim und ihre Mutter einst sitzen ließ. Eine ernsthafte
Auseinandersetzung mit dem Schicksal gebeutelter und misshandelter
Ehefrauen ist ab hier nicht mehr möglich - aber ernsthaft versucht
hat das ohnehin keiner.
Während
der langen Wartezeit bis zum ewig hinausgezögerten, dann aber
viel zu überhastet servierten Showdown muss sich der Zuschauer
mit einer hausbacken konstruierten Story herumschlagen, die mit
Dialogen von solch plakativer Peinlichkeit angereichert ist, dass
man mehr als einmal laut loslachen muss ob so viel Stupidität.
Einsamer Höhepunkt: Slim's kleine Tochter Gracie, die nach
einem Telefonat mit Papa, in dem sich dieser mal wieder als widerwärtiges
Arschloch entpuppte, den Satz zum Besten gibt: "Jetzt bin ich
ganz doll traurig."
Ähnlich plakativer Blödsinn sind die Zwischentitel, die
Regisseur Michael Apted (eigentlich ein Guter, inszenierte immerhin
u.a. "Die Welt ist nicht genug"
und "Gorillas im Nebel") zu Anfang des Films einsetzt:
Als Hinweistafeln am Beginn jeder Sequenz lassen sie den Zuschauer
wissen, was er ohnehin schon erwartet hat, sind ergo eine Ausgeburt
an Nutzlosigkeit und völlig fehl am Platze. Das ist Apted wohl
auch irgendwann aufgegangen, jedenfalls verschwinden die Zwischentitel
nach gut zwanzig Minuten auf Nimmerwiedersehen und lassen lediglich
die Frage im Raum stehen, warum sie überhaupt je da waren.
Wenn
sich Slim schließlich einem intensiven Zweikampf-Training
unterzieht, mag das als Werbefilm für Selbstverteidigungskurse
zwar gut funktionieren, drückt aber viel zu offensichtlich
auf den "Starke Frauen schlagen selbst zurück"-Knopf
und will Identifikation mit einer Figur provozieren, deren Schicksal
im Vergleich zu tatsächlichen Fällen misshandelter Frauen
immer noch daher kommt wie ein schöner Traum. Die Selbstjustiz-Botschaft
des Films ist denn auch mehr als fragwürdig. Im Recht mag man
Slim jedenfalls nicht sehen.
In seinen frühesten Grundzügen vielleicht wirklich einmal ein ernst gemeinter und interessanter Beitrag zum Thema "Misshandelte Frauen wehren sich", ist das Endergebnis von "Genug" ein weiterer, sehr ärgerlicher Ausfluss aus der Starkino-Maschinierie Hollywoods. Man mag es Jennifer Lopez mit gutem Willen glauben, dass sie mit ihrer Beteiligung hier die allgemeine Aufmerksamkeit auf dieses Problem lenken wollte. Die Macher hingegen haben mit Lopez' Beteiligung jegliches Interesse daran verloren. Nach so viel verlogenem Story-Gemauschel und erbärmlichsten Dialogdreck ist es schließlich am Zuschauer, sich verärgert aus seinem Sitz zu erheben und laut "Genug!" zu brüllen. Auch das ist Selbstjustiz.
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