Die zehn biblischen Plagen - im zweiten Buch Mose ist die Rede von ihnen. Jehovah ließ sie auf Ägypten los, als der Pharao dem israelischen Volk den Auszug aus dem Land verwährte. Heute ist es Wissenschaftlern eine wahre Freude, Erklärungen für die Heuschrecken und Stechfliegen von damals zu finden. So arbeiteten Mitte der 90er Jahre die beiden renommierten US-Mediziner John S. Marr und Curtis Malloy zusammen. Im Gegensatz zu anderen Kollegen betrachteten sie die Plagen als Gesamtes, als lange Kette. Die Einzelteile als Ursache und Wirkung zugleich. Ihnen zufolge könnte für die Rot-Färbung des Nil-Wassers eine Süßwasseralge verantwortlich gewesen sein. Das ebenfalls dadurch herbeigeführte massive Fischsterben sorgte für eine Explosion der Frosch-Population, da sich deren Nachbarn in der Nahrungskette nun verabschiedet hatten. Doch auch die Frösche kamen mit dem vergifteten Wasser in Kontakt und starben. Eine ungehinderte Vermehrung der Insekten folgte. Die Kette ließe sich nun bis zur zehnten Plage, dem Tod der Erstgeborenen, fortführen.
Auf wissenschaftliche Erklärungen dieser Art greift auch Katherine Winter (Hilary Swank), Professorin an einer Universität, zurück. Seit sie ihre Familie bei einer Missionarsarbeit im Sudan verloren hat, ist sie vom christlichen Glauben abgerückt, und hat es sich stattdessen zum Ziel gesetzt, Wunder oder sonstige Werke Gottes mit simplen wissenschaftlichen Erklärungen zu entmystifizieren. Aktuell führt sie ihr Weg, gemeinsam mit ihrem Arbeits-Kollegen Ben (Idris Elba), in eine Kleinstadt, in der scheinbar jene biblischen Plagen auf die Bevölkerung losgelassen wurden. Ein kleines Mädchen (Anna Sophia Robb) soll ihren Bruder getötet haben, woraufhin sich der Fluss rot färbte. Kröten-Regen und Stechmücken-Attacken lassen nicht lange auf sich warten. Während Katherine weiterhin eifrig die Wissenschaft bemüht, sind sich die Bewohner der Kleinstadt einig: Die kleine Loren steckt mit dem Teufel im Bunde.
"The Reaping" bietet weder psychologische Charakter-Analyse, noch eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Thematik "Glaube gegen Wissenschaft". Wie so häufig sind die Film-Schaffenden allerdings die Einzigen, die sich dessen nicht bewusst sind, so dass der geneigte Zuschauer den einen oder anderen Durchhänger mit hochtrabendem, aber trotzdem leeren Blabla dulden muss in einem Film, der nie wirklich in Schwung kommt, dabei aber immerhin noch einen besseren Eindruck hinterlässt als vergleichbarer Horror-Mumpitz vergangener Monate.
Wohin uns die Drehbuch-Gebrüder Chad und Carey W. Hayes, die zuletzt das Script zur sehr mäßigen "House of Wax"-Neuauflage beigesteuert haben, mit ihrer Geschichte führen wollen, ist schon früh ziemlich offensichtlich. Nach und nach wird es die zunehmend spektakuläreren Plagen zu sehen geben und eine plausible Erklärung dafür rückt in weite Ferne. Die eingestreuten Plot-Wendungen berühren kaum. Viel zu distanziert lässt sich das gesamte Geschehen nur betrachten. Erschwerend kommt hinzu, dass die wenigen relativ starken Momente fast ausnahmslos im Trailer vorweg genommen werden.
Die Gründe, sich "The Reaping" anzusehen, schwinden dahin. Gut, nett anzuschauen ist die Umsetzung der Plagen sicherlich, doch insgesamt fehlt es Regisseur Stephen Hopkins einfach an frischen Ideen - aber das ist in diesem Genre ja auch nichts Neues. Dass Hopkins zu den Gründungsvätern von "24" zählt, ist seinem Stil deutlich anzumerken. Als spannungsfördernd erweist sich die typische Hektik, die er aus der Echtzeit-Serie übernommen hat, hier allerdings nicht.
Zu den überschaubaren Stärken von "The Reaping" gehört stattdessen die recht souverän agierende Besetzung. Dass Hilary Swank hier eine solide Leistung zeigt, überrascht natürlich nicht. Doch leider muss auch in ihrem Fall - wie so oft in letzter Zeit - die Frage erlaubt sein, was eine (zweifache) Oscar-Preisträgerin in einen solchen Film treibt. Nach eigener Aussage ist es der unvorhersehbare und spannende Handlungs-Verlauf gewesen, der sie zum Einstieg in dieses Projekt animiert hat. Ähnliches werden wohl auch die Damen Berry und Theron über "Gothika" und "Aeon Flux" haben verlauten lassen. Doch immerhin: Swanks Beteiligung lenkt die Aufmerksamkeit vom Kollegen David Morrissey ab, der dieses Mal wohl mit weitaus weniger über ihm verschütteten Hohn davon kommt, als es noch bei der Fortsetzung von "Basic Instinct" der Fall war. Wobei er auch dieses Mal (als Kleinstadt-Lehrer) mitunter reichlich hölzern agiert. Ein lobendes Wort verdient sich einzig die talentierte Jung-Darstellerin Anna Sophia Robb, die kürzlich schon in "Brücke nach Terabithia" zu überzeugen wusste. Ihr gelingt das kleine Kunststück, ein Horrorfilm-Kind zur Abwechslung wirklich mal ein wenig furchteinflößend wirken zu lassen.
Über "The Reaping" kann man sich weder ordentlich ärgern, noch wirklich freuen. Es hat schon weitaus originellere Horrorfilme zu sehen gegeben, aber eben auch weitaus dümmere. Für den gebeutelten Horrorfilm-Fan gibt's also erneut keinen Anlass, dem Kino einen Besuch abzustatten, es sei denn, hinterwäldlerischer Kleinstadt-Charme hat mittlerweile Angst und Schrecken als Genre-Kriterium Nummer Eins abgelöst.
Neuen Kommentar hinzufügen