Der neue Film von Roland Suso Richter („14 Tage lebenslänglich“) beginnt mit einem Panoramablick über die kurdische Steppe. Der zehnjährige Kendal (Arman Inci) sieht sich mit seinem Vater ein weiteres totes Schaf an. Es ist die Dürre – nicht mal mehr eine Hand voll Gras ist zu finden. Neben der täglichen Armut braucht die Familie nun auch noch Geld um die Hochzeit von Kendals Schwester Emine auszurichten. In dieser Situation taucht der in Deutschland lebende Onkel Faruk (Ercan Dumaz) auf, und bietet dem Vater an, Kendal mit nach Hamburg zu nehmen: „Er wird es gut haben dort. Und die Arbeit ist leicht, leichter als hier.“ Was niemand weiß ist, dass der noch nicht strafmündige Junge von seinem Onkel zum Dealen eingesetzt werden soll.
Kaum in Hamburg angekommen, wird Faruk verhaftet und Kendal ist allein in einer ihm fremden Welt. Einzig der Taxifahrer Hellkamp (Oliver Korittke) fühlt sich ein wenig für das fremdartige Wesen verantwortlich. Teils aus Mitleid, teils um alte Schuldgefühle loszuwerden, nimmt er den Jungen mit zu sich nach Hause. Doch er weiß nicht so recht, was er mit Kendal anfangen soll. Zumal der noch kein deutsch spricht. Und so landet Kendal schließlich wieder bei seinem freigelassenen Onkel und den anderen Mitgliedern eines Drogensyndikats. Hier lernt er brav wie man dealt und arbeitet recht fleißig auf der Straße. Doch bald passen die Bilder in seinem Kopf von den Frauen auf der Straße, denen er Geld abnimmt mit dem Bild seiner Schwester, der er Geld schickt nicht mehr zusammen. Immer öfter flüchtet Kendal sich in Hellkamps scheinbar geordnete Welt. Hier findet er für einen kurzen Moment die brüderliche Wärme, nach der er sich sehnt. Ein ambitionierter deutscher Kinofilm! Uff, klingt schwer – ist schwer. Der Auto Uwe Timm („Die Bubi Scholz Story“) war bei diesem Drehbuch wohl etwas über-überambitioniert. Bei 114 Minuten Filmlänge drücken Themen wie Armut, Kriminalität, Ausländer -und speziell Kurdenproblematik, Freundschaft, Verantwortung und Schuld den Zuschauer lähmend in den Kinosessel. Nachdem er sich nun nicht mehr rühren kann, erträgt er ein ambitioniertes Klischee nach dem anderen. Angefangen mit dem armen Kurden der Deutschland über eine Kuckucksuhr und ein Heino-Lied definiert bis zum dealenden Onkel im Goldkettchen-Look, den man schon aus 100 Kilometer Entfernung als solchen zu identifizieren kann. Krampfhaft versucht der Film mit Kritik und Emotionen an der political correctness–Schiene vorbeizufahren, aber er bleibt einfach zu brav. In Hellkamps Fußballmannschaft sind ordentlich verteilt ein paar nette Ausländer, genauso wie der wohl platzierte türkische Sozialarbeiter die alkoholabhängige Jugendheimleiterin wieder wett macht. „Eine Hand voll Gras“ möchte unbedingt Klischees vermeiden und seiner ernsten Geschichte gerecht werden, aber er schafft es nicht. Er zeichnet lediglich altbewehrte und ausgelutschte Muster nach.
Und hat den Zuschauer das Endlos-Schicksal des armen Kendal noch nicht aus dem Kinosaal getrieben, geben ihm schwülstige Dialoge, vorhersehbare Szenen, ein all zu rosafarbener Himmel und die wehleidige Musik den Rest. Auch ein Oliver Korittke („Die Musterknaben“, „Bang Boom Bang“) vermag es nur selten, die Story spannender zu machen. Meist spielt er lediglich den Ball an die eigentliche Überraschung des Films weiter: Das Spiel des Arman Inci, der den jungen Kendal darstellt, ist äußerst überzeugend und gefühlvoll. Ausgesprochen interessant sind auch die Gastauftritte von Schauspielgrößen wie Michael Gwisdek oder Dieter Pfaff. Doch das holt einen nun auch nicht mehr aus dem Tiefschlaf...
Wer sich trotz allem auf eine Kinoversion á la „Big Daddy trifft die kurdischen Kinder vom Bahnhof Zoo“ einlassen möchte, dem sei dies Vergnügen ab dem 02. November gegönnt. Ansonsten noch ein wenig Geduld – dieser Film wird garantiert der TV-Knaller auf Sat1 oder RTL.
Land
Jahr
2000
Laufzeit
114 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
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