Nur knapp zwei Monate ist es her, da lief „Anatomie“
an, ein Film, der sich als erster deutscher Teenie-Slasher verstanden
fühlen wollte, und deshalb scheiterte, weil immer noch
ordentlich bei den amerikanischen Vorbildern abgekupfert wurde,
obwohl man gerade das vermeiden wollte. Hier ist nun „Flashback
– mörderische Ferien“, der alle typisch deutschen Ansätze
beiseite läßt, hemmungslos in sämtlichen amerikanischen
Genre-Klischees badet, fröhlich drauflos kopiert, zitiert,
und nachmacht, und am Ende komischerweise trotzdem der bessere
Film ist.
Der Anfang ist klassisch unoriginell. Ein junges Paar vergnügt
sich in einem Zugabteil. Dann geht’s in einen Tunnel, es wird
dunkel, und als es wieder hell wird, gehört die Zunge in
ihrem Bauchnabel nicht mehr ihrem Freund. Ein Psychopath treibt
sich herum, dessen Vorgehensweise im Radio recht lapidar beschrieben
wird: „Erst vergewaltigt er seine Opfer, dann zerstückelt
er sie. Manchmal auch andersrum.“ Die nächsten Opfer des
rücksichtslosen Klingenschwingers sind die Eltern der kleinen
Jeanette Fielmann, für die die Begegnung mit dem Killer
traumatisch endet: Warum er sie verschont hat, was mit dem Killer
geschah, wie die grauenvolle Nacht
endete, all dies hat sie verdrängt. Zehn Jahre später
sieht Jeanette aus wie Ex-Soap-Star Valerie Niehaus, und ihr
behandelnder Arzt glaubt, daß sie weit genug sei, die
psychiatrische Anstalt verlassen zu können (in der u.a.
auch ein Queen Amidala-Verschnitt einsitzt, die „Episode 1“
eindeutig ein paar mal zu oft gesehen hat). Er vermittelt ihr
einen Job als Französisch-Lehrerin für drei verzogene
Millionärs-Kinder, die die Sommerferien über büffeln
sollen. Doch kaum im Haus der Familie Schröder angekommen,
beginnen auch schon die mysteriösen Ereignisse: Erst verschwindet
Jeanette’s Gepäck, dann scheint es ein Familiengeheimnis
um den Stall zu geben, und so langsam beschleicht die gerade
erst auf die Zivilisation losgelassene Aushilfspädagogin
das Gefühl, daß der Killer von damals durch die Gegend
schleicht. Da hilft auch die ausgelassenste Party als Ablenkung
nicht.
Bereits beim Grundplot wird klar, wie sehr sich „Flashback“
an die simplen Strickmuster der amerikanischen Vorbilder hält.
Die Heldin mit dem traumatischen Kindheitserlebnis ist nicht
weit weg von "Halloween“. Der sichelschwingende Psychopath in
Frauenkleidern wirkt wie eine Mischung aus Norman Bates und
dem Fischhaken-Killer aus „Ich weiß, was du letzten Sommer
getan hast“, und auch die drei Teenies sind herrlich überecht-klischeebeladen:
Die 16jährige Lissy (Simone Hanselmann), die sich nur von
Fast Food zu ernähren scheint und alle fünf Minuten
einen neuen Freund hat; ihre ein Jahr ältere Schwester
Melissa (Alexandra Neldel), die im Kino übers plüschummantelte
Handy mit ihrer drei Reihen weiter sitzenden Freundin den Film
diskutiert; und schließlich der 18jährige Leon („wie
der Profi, nicht Leo, wie das Weichei“), der übliche Bilderbuchaufreißer,
der sich in Null komma Nix an die junge Französisch-Virtuosin
ranschmeißt. Schon allein die Namen sind so neudeutsch-modern,
daß sich die ur-teutonischen Anteile des Films auf das
hübsche Alpenpanorama beschränken. Und wo wir schon
bei ur-teutonisch sind: Elke Sommer, die die Haushälterin
der Schröders spielt, bildet ironischerweise, trotz der
größten Erfahrung, den künsterlischen Tiefpunkt
des Films. Ihre Leistung als hölzern zu bezeichnen ist
fast noch ein Kompliment. Ein echtes Kompliment verdient sich
hingegen Valerie Niehaus. In einem Slasher-Film noch so überzeugend
glänzen zu können, das verlangt schon so einiges.
Mit Alexandra Neldel zusammen der lebende Beweis, daß
man aus einer Daily Soap auch als guter Schauspieler hervorgehen
kann.
Über
die ersten 70 Minuten kommt „Flashback“ wie der simpelste Videotheken-Slasher
daher. Als halbwegs fachkundiger Zuschauer kann man sogar die
Reihenfolge vorhersagen, in der die Nebencharaktere den Löffel
abgeben (netter Seiteneffekt: auch Haustiere werden nicht verschont.
Schon mal eine Katze im Mixer gesehen?). Aber im Gegensatz zu
„Anatomie“ bekommt man hier schnell das Gefühl, daß
die Ähnlichkeiten zu den Vorbildern mehr als unvermeidbar
sind. Regisseur Michael Karen scheint sich im Genre bestens
auszukennen und macht sich einen Heidenspaß daraus, fortlaufend
Anspielungen einzubauen. Ein Gale Weathers-Klon von einer Reporterin
bekommt sogar die selben Dialogzeilen wie der Prototyp aus „Scream“,
das musikalische Hauptthema dieses Klassikers wird an einer
Stelle haargenau zitiert, und spätestens, als Lissy fragt,
ob schon mal jemand den „Big Kahoona Burger“ probiert hätte,
lehnt man sich als Filmfreak mit einem belustigten Grinsen im
Kinosessel zurück und läßt sich von diesem Schmarrn
bestens unterhalten.
Denn
Schmarrn ist es wirklich, wie eben alles aus dieser Kategorie:
Vorhersehbare Schock-Effekte und wundervoll dilettantische Splatter-Maskerade
lassen schnell den Eindruck entstehen, daß man es hier
mit Slasher-Trash vom Feinsten zu tun hat. Was „Flashback“ dann
schließlich doch noch von den US-Varianten abhebt, ist
ein (für dieses Genre) erstaunlich guter Plot-Turn gegen
Ende, der in den ersten Momenten ganz fürchterlich dämlich
wirkt, aber sehr schnell an Logik (!!!) gewinnt und dem Film
so einen Schluß verpasst, der weitaus intelligenter und
einfallsreicher ist, als man es so einem Streifen gemeinhin
zutraut.
Insgesamt funktioniert „Flashback“ wie jeder Film seines Genres:
Die zartbesaiteten Mädels zucken verschreckt zusammen,
während sich die Jungs, gemeinsam mit den etwas filmerfahreneren
Twens, bei jedem neuen Gemetzel schlapp lachen. Hohle Charaktere
und riesige Logiklöcher gehören da einfach genau so
dazu wie die klassischen „Geh nicht die Treppe rauf!/Er ist
direkt hinter dir!“-Szenen. „Flashback“ versucht erst gar nicht,
seine Wurzeln zu leugnen, und da diese beim Teenie-Slasher nun
mal amerikanisch sind, ist dies auch der amerikanischste deutsche
Film, den ich je gesehen habe. Macht aber gar nix, denn zu diesem
Genre gehört ein gewisser Mangel an Ernsthaftigkeit einfach
dazu, und das ist etwas, was den meisten deutschen Filmen einfach
abgeht. Kurzweilige Unterhaltung, jede Menge Genre-Zitate und
ein überraschend einfallsreiches Ende machen „Flashback“
so nicht nur besser als „Anatomie“, sondern auch besser als
alle amerikanischen „Scream“-Ableger. Und wer mit solcher Leichtigkeit
seine eigenen Idole hinter sich läßt, dem muß
man einfach Respekt zollen. Auch wenn es nur dämlicher
Slasher-Trash ist.
Land
Jahr
2000
Laufzeit
95 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
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