"Ein Spiel dauert 90 Minuten" hat der große Sepp Herberger gesagt und damit gemeint, dass man erst beim Schlusspfiff über den Ausgang sicher sein kann. Selbst der größte Favorit kann gegen den Underdog straucheln, die unmöglichsten Situationen noch umgebogen werden. Deshalb zieht die Faszination FußballWoche für Woche so viele Menschen in ihren Bann. Ein wenig mehr von dieser Unvorhersehbarkeit hätte man auch Danny Cannons Fußballfilm "Goal!" gewünscht.
Der junge Santiago Munez (Kuno Becker) wird in Los Angeles beim Kicken im Park von dem Ex-Spieler Glen Foy (Stephen Dillane) beobachtet. Der Engländer ist so angetan von dem Talent des mexikanischen Teenagers, dass er ihm eine Chance verschafft, bei Newcastle United zu trainieren. Damit ergibt sich für Santiago die Möglichkeit, den Traum seines Lebens zu erfüllen und Profifußballer zu werden, wobei sich ihm natürlich zahlreiche Hindernisse in den Weg stellen.
Hier tappt Cannon leider bereits in zahlreiche Klischeefallen, die ein Sportfilm zu bieten hat. Nicht nur hat der arme Santiago Asthma (im heutigen Profisport kein unüberwindbares Problem mehr), dazu ist auch noch sein Vater strikt gegen eine Karriere als Sportler. Beim ersten Vorspielen auf dem wunderbaren Matschrasen von Newcastle stößt Santiago auf wenig Gegenliebe bei den Mitspielern, ist mehrfach kurz davor abzureisen, und letztlich verhindert ein tragisches Ereignis auch noch die Versöhnung zwischen Vater und Sohn. Aber wird dies alles den Helden aufhalten und seinen Einsatz im entscheidenden Spiel der Saison verhindern? Die Antwort kann höchstens die überraschen, die bei "Rocky 3" ein Monatsgehalt auf einen Sieg von Mr. T setzen würden.
Für den absehbaren Verlauf der Geschichte entschädigt allerdings der großäugige Auftritt von Kuno Becker. Der 27-jährige, mexikanische Soap-Star gibt den Fußballprofi sehr glaubwürdig. Sein Erstaunen, plötzlich seinen Traum zu leben, spiegelt sich in jeder Bewegung. Da wächst ein neuer Frauenschwarm heran, der mit "Goal!" wohl auch in Europa bekannt werden wird. Ebenso sind die mitreißend inszenierten Spiel- und Trainingsszenen in der ersten englischen Liga zum Teil mit den Originalspielern der Teams besetzt, und können erfolgreich das Ballfieber des ekstatischen Newcastle-Publikums auf die Leinwand transportieren. Die Stimmung der fußballverrückten Stadt und die wie Wände aufragenden Tribünen des Stadions lassen bestimmt bei jedem Gänsehaut entstehen, für den Beckenbauer nicht der lokale Vertreter der Keramikgilde ist.
Nebenbei, wie sollte es anders sein, gibt es auch eine schöne kleine Liebesgeschichte mit der wunderhübschen Team-Krankenschwester Roz Harmison (Anna Friel). Auch dies geht selbstverständlich nicht ohne Schwierigkeiten von statten, nachdem Santiago in pikanter Pose auf einer Party fotografiert wird, zu der ihn der hinterhältige Mittelfeld-Star Gavin Harris (Alessandro Nivola) geschleppt hat. Nett ist die kurze Begegnung zwischen Harris und den originalen Kollegen Zidane, Raul und Beckham (natürlich auf einer nicht so ominösen Party, versteht sich).
Der klischeefreiste Ansatz des Films ist die Idee, Santiago nicht direkt aus einem Armenviertel zu importieren. Die Familie Munez ist eigentlich schon im Paradies angekommen, gemessen an ihren ursprünglichen Maßstäben. Aus Mexiko illegal in die USA geflüchtet, hat der Vater (Tony Plana), nachdem die Mutter ihn mit zwei Kindern und liebenswerter Großmutter hat sitzen lassen, mit harter Arbeit den Weg in die amerikanische Mittelklasse geschafft. Er hat einen eigenen kleinen Betrieb, den er seinem Sohn übergeben will. Doch genau diese kleinen Träume ihrer Eltern will die zweite Einwanderergeneration, verkörpert von Santiago, nicht mehr weiterleben.
Der eigentlich interessante Generationen-Konflikt zwischen Vater und Sohn wird aber wiederum zu überspitzt dargestellt und verliert so an Aussagekraft. Ähnliches lässt sich auch für den Aufstieg des jungen Spielers sagen. Natürlich werden ansatzweise die Schwierigkeiten aufgezeigt, die einen Jugendlichen erwarten, der ins Haifischbecken des Profisports geworfen wird. Der geldgeile Manager von Gavin Harris umwirbt den Neuzugang und lockt mit allerhand Versprechungen, während auf der anderen Seite die Vaterfigur Glen Foy und der stark an Arsenal Londons Arsène Wenger erinnernde Trainer Erik Dornhelm (Marcel Iures) mit gutem Rat bereit stehen. Aber der anstrengende und dröge Alltag des Profis wird nicht dargestellt - es wäre eine Chance gewesen, den Sport abseits vom Glamour ein wenig näher zu beleuchten.
So ist "Goal!" leider doch nicht viel mehr als der Film zur WM, der sich hierzulande von der hohen Aktualität von König Fußball vielleicht eine Scheibe abschneiden kann. Ach ja, wer sich über die streifige Kinoleinwand wundert, sollte sich nicht beim Vorführer beschweren. Es handelt sich hierbei lediglich um die penetrant ins Bild gerückten Sportartikel des anständigen Unternehmens aus Herzogenaurach.
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