Es ist eine gängige und beliebte Vorstellung, Psychologen und Psychiater seien alle selbst in irgendeiner Weise verrückt. Dr. Miranda Grey (Halle Berry) scheint da ganz anders zu sein - sie sieht alles andere als verwirrt aus und beschäftigt sich in der psychiatrischen Abteilung des Woodward-Frauengefängnisses rein wissenschaftlich und nüchtern mit ihren Patientinnen. So deutet sie auch die bizarren Visionen von Chloe (Penelope Cruz), die davon erzählt, in ihrer Zelle vom Teufel vergewaltigt zu werden, lediglich als Ergebnis traumatischer Erlebnisse. Umso erstaunter ist sie, als sie eines Tages plötzlich selber in einer der Zellen erwacht und von ihrem Kollegen Dr. Graham (Robert Downey Jr.) erfährt, sie habe vor drei Tagen ihren Mann, der die psychiatrische Abteilung leitete, ermordet.
|
Miranda erinnert sich jedoch lediglich daran, dass sie am Abend des Verbrechens einen Unfall hatte, nachdem sie einem weinenden Mädchen im Nachthemd, das auf einmal mitten auf der Straße stand, ausweichen musste. Wie in einem Alptraum befindet sich Miranda plötzlich auf der anderen Seite der soliden Glasscheibe, hinter der sich sonst nur ihre Patientinnen befanden. Nun wird sie selbst als "Irre" abgestempelt, niemand nimmt sie mehr ernst und keiner glaubt ihr, als auch sie von einem mysteriösen Wesen heimgesucht und misshandelt wird. Als letzte Möglichkeit bleibt ihr nur noch die Flucht aus dem Gefängnis, um auf eigene Faust herauszufinden, warum ihr das alles zugestoßen ist und wer aus welchem Grund ihren Mann so grausam ermordet hat ....
|
"Gothika" - man kann die Diskussionen schon kommen sehen, die sich damit befassen werden, was es mit diesem Titel wohl auf sich hat. Nun, der Pressenotiz war zu entnehmen, dass der Film in der Tradition der "gothic novels" Edgar Allan Poes und anderer stehe, die Ende des 18. Jahrhunderts entstanden. Nette Info, nebenbei klingt es aber einfach gut und man kann es sich prima merken, man könnte sogar problemlos die neuesten Ford- oder Opelmodelle so benennen.
Namen sind Schall und Rauch, viel wichtiger ist doch die Tatsache, dass dieser Film es wirklich in sich hat. Zwar gab es schon in "The Sixth Sense" jemanden, der "tote Menschen sehen" konnte, und ein rachsüchtiger Geist, der ziemlich grob werden kann ist uns noch aus "The Ring" in Erinnerung. Jedoch gelingt es Regisseur Mathieu Kassovitz ("Die purpurnen Flüsse") dank seiner überragenden visuellen Kreativität diese Elemente zu etwas Neuem zu verbinden, und dieses Neue übertrifft die erwähnten Filme zumindest an Schockerqualitäten bei weitem. Den gesamten Film umgibt eine äußerst dunkle Atmosphäre, das Frauengefängnis wirkt eher wie eine Art "Arkham Asylum" für psychopathische Schwerverbrecher in Gotham City, und fantastische Kamerafahrten scheinen aus der Sicht eines Geistes gedreht zu sein, der mit Leichtigkeit Türen und Wände durchdringt. Berry und Cruz passen in ihren Rollen hervorragend zum Rest dieses "gotischen" Settings, und beide spielen die gequälten Frauen so, als hätten sie nie etwas anderes getan. Besonders gelungen sind die Szenen, in denen Miranda beginnt in Betracht zu ziehen, dass es jenseits der Wissenschaft doch noch etwas anderes geben könnte. Leider wirken alle übrigen Charaktere im Nachhinein ziemlich blass.
|
Einen Großteil des Horrors machen der Soundtrack und die Soundeffekte aus. So manches Mal, während man angespannt im Kinosessel die Luft anhält, lässt einen die immer bedrohlicher anschwellende Musik ins Leere laufen, um dann wiederum etliche Schockmomente geschickt auf Szenen zu verteilen, in denen man nicht mehr damit rechnet. Den ungewöhnlich melancholischen The Who-Coversong "Behind Blue Eyes" von Limp Bizkit, in dessen Video Fred Durst sogar dazu kommt, mit Halle Berry herumzuknutschen, bekommt man zur Beruhigung der Nerven dann erst im Abspann zu hören.
Die mittlerweile unvermeidliche Sucht nach der vollkommenen Unvorhersehbarkeit und extrem überraschenden Wendungen am Ende kann "Gothika" allerdings nicht stillen. Dies liegt zum Teil - ohne zu viel zu verraten - auch an der Fehlbesetzung gewisser Charaktere, die auf ihre nicht gerade Sympathie versprühende Weise von vornherein zu den üblichen Verdächtigen zählen. Zum anderen ist dies einfach nicht die Art Film, bei der detektivischer Spürsinn gefragt ist, sondern eher eine Achterbahnfahrt, die den Puls beschleunigen soll - und das gelingt ihr ohne Zweifel. So auch - trotz dutzender nackter Frauen - in einer der unerotischsten Massenduschszenen der Filmgeschichte.
In "Gothika" macht es mal wieder richtig Spaß an Geister zu glauben, und man sollte sich keinesfalls die Gelegenheit und die Freude entgehen lassen, ihn sich mit einer äußerst schreckhaften Begleitung anzuschauen.
Neuen Kommentar hinzufügen